Fortune de France: Roman (German Edition)
er dessen unwürdig, ein Abglanz der großen Sache, welche er vertrat.
»Lasset uns nun, wenn Ihr belieben wollet, mein Herr, zumeigentlichen Gegenstand Eurer Mission kommen«, sagte mein Vater, welcher unruhig zu werden begann, weil ihm all diese Vorreden reichlich lang erschienen.
»So sei es«, erwiderte Monsieur de L. »Wie Ihr wißt, sammeln sich die Unseren bei Gourdon unter der Führung von Monsieur de La Rochefoucauld und Monsieur de Duras. Sie sind bereits mehrere Tausende, ohne daß ich ihre genaue Zahl zu sagen vermöchte, und sollen in Orléans zur Streitmacht des Prinzen von Condé stoßen. Monsieur de Duras ist ein Feldherr, welcher bereits die Legion von Guyenne befehligte. Auch François de La Rochefoucauld hat sein Können schon unter Beweis gestellt. Gleichwohl vermeint der Prinz, daß der Herr Baron, welcher so lange und so wacker Kriegsdienst geleistet, diese beiden Feldherren mit seinem Mut und seiner Kriegserfahrenheit trefflich zu unterstützen vermöchte.«
An dem Gesichtsausdruck meines Vaters ersah ich, daß er von diesem Vorschlag in keiner Weise überrascht war, sondern ihn im Gegenteil wohl erwartet hatte, daß er ihm aber nicht sonderlich behagte.
»Monsieur«, erwiderte er mit kühler Höflichkeit, »Ihr dienet, so ich mich nicht irre, dem Vitzdom zu Chartres und habt ihn nach England begleitet, als er im Namen des Prinzen von Condé und des Admirals von Coligny den Vertrag von Hampton Court mit der Königin Elisabeth ausgehandelt.«
»Dem ist so«, antwortete Monsieur de L., trotz seiner Weltgewandtheit in sichtliche Verlegenheit geratend.
»Es geht die Rede, die Königin Elisabeth habe als Gegenleistung für ihre Unterstützung der Hugenotten verlangt, daß die Unseren die Stadt Le Havre ihren Truppen übergeben, welches Unterpfand sie nach dem Ende des Krieges nur im Austausch gegen Calais an Frankreich zurückgeben würde.«
Monsieur de L.s Verlegenheit schien zu wachsen, und mich deuchte gar, daß sich sein Gesicht entfärbte.
»Aber Euch ist doch nicht unbekannt, Herr Baron«, sprach er darauf mit veränderter Stimme, »daß Frankreich, gemäß dem Vertrag von Cateau-Cambrésis, im Jahre 1567 Calais ohnehin an England zurückgeben muß …«
»Oder aber es von diesem Zeitpunkt an endgültig behalten darf, wenn es 500 000 Dukaten an England zahlt. Und welcher französische König – wer auch immer dann die Krone tragensollte – würde wohl nicht die zweite Möglichkeit der von Euch genannten vorziehen?«
»Und diese Lösung wird gewißlich auch der Prinz von Condé wählen, wenn der Krieg vorüber ist.«
»Aber das wird er nicht können!« rief mein Vater erregt. Er stand auf, trat hinter seinen Stuhl und krampfte seine Hände um die Lehne. Nach einem Schweigen hub er tiefbewegt, Schmerz und Zorn in der Stimme, wieder an:
»Das wird er nicht können! Denn er hat der Königin Elisabeth Le Havre als Unterpfand überlassen! Wie könnt Ihr glauben, daß sie es gegen eine Summe Geldes wieder herausgibt, wo doch der einzige Zweck der uns gewährten Hilfe darin besteht, Calais zurückzugewinnen?«
Nach diesen erregten Worten ließ sich mein Vater, noch immer vor Empörung zitternd, wieder auf seinen Stuhl nieder, und Sauveterre, der die ganze Zeit unbewegt dagesessen hatte, gab durch seine Miene zu erkennen, daß er die Meinung meines Vaters zu diesem Kuhhandel teilte.
Nach einem längeren Schweigen sprach Monsieur de L. mit leiser, tonloser Stimme, wiewohl nicht ohne eine gewisse Würde, welche meinen Vater zu beeindrucken schien:
»Ich denke, Herr Baron, daß sich der Prinz von Condé und der Admiral von Coligny, als sie den Vertrag schlossen, nicht bewußt waren, daß sie die Zukunft von Calais aufs Spiel setzten. Sie haben wohl vermeint, die Möglichkeit des Rückkaufs der Stadt bliebe ihnen offen. Sie standen unter großem Zeitdruck, denn im ganzen Lande wurden die Unseren gehetzt und gejagt. Doch der Prinz und der Admiral würden sich elend und niederträchtig vorkommen, wenn sie je daran gedacht hätten, das Königreich auch nur um eine Handbreit Boden zu verkleinern.«
»Und trotzdem haben sie eine seiner Städte verpfändet!« sagte Sauveterre. »Frankreich hat zweihundertzehn Jahre warten müssen, um Calais von den Engländern zurückzuerobern, und Gott weiß, wieviel Blut und Tränen diese Unternehmung gekostet hat. Fraget den Baron von Mespech, er war dabei! Und nun haben der Prinz und der Admiral die Stadt mit einem Federstrich aufgegeben. Und wofür?
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