Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
schwang sich in den Sattel.
    »Die Pferde mit dem Rücken zur Hauswand!« flüsterte er mir zu. »Damit wir keinen hinter uns haben!«
    Unter Tänzeln und Aufbäumen, damit die Menge zur Seite wiche, ließ er seinen Apfelschimmel bis zum Haus von Madame de la Valade zurückhufen. Obgleich mein spanischer Rappe nicht so gut abgerichtet war, gelang es mir, mich an seiner Rechten zu halten, so wie Samson an seiner Linken. Kaum standen wir an der Hauswand, ließen wir auch schon die Zügel sinken; den Degen am Handgelenk, ergriff ein jeder seine zwei Pistolen. Mein Vater wäre wohl sogleich zum Angriff übergegangen,hätte er an seiner Seite nicht uns, sondern seine altgedienten Soldaten gehabt. Allein er wollte das Leben seiner beiden Söhne nicht in einem Straßenkampf gefährden, und so entschloß er sich zum Verhandeln, zumal das Lumpenvolk trotz seiner Bewaffnung eher schwach und verhungert denn gefährlich aussah.
    »Holla, meine Freunde!« rief er also laut, doch mit einer gewissen soldatischen Leutseligkeit, sich dabei in seinen Steigbügeln aufrichtend. »Was soll dieser Tumult? Empfängt man so die Fremden in der Vorstadt Lendrevie? Warum bedrängt ihr uns?«
    »Um dir und deinen Söhnen das Lebenslicht auszublasen, Baron!« rief ein großer, dicker Kerl in der ersten Reihe der Menge, den ich an seinen hervorstehenden schwarzen Augen, seiner Kleidung, seinem Schmerbauch und dem im Gürtel steckenden Messer als den Schlächter von Lendrevie, Forcalquier geheißen, erkannte.
    »Was für schändliche, häßliche Worte!« erwiderte mein Vater lachend, doch mit einem wachsamen Auge auf die Menge, insonderheit auf die beiden Arkebusenträger. »Mir das Lebenslicht ausblasen, Meister Forcalquier! Du willst vollbringen, was den Engländern nicht gelungen ist. Doch wenn du es trotzdem schaffst, wird jeder, der hier meinen Waffen entgeht, für diesen Mord am Galgen enden.«
    »Und wer soll uns an den Galgen bringen?« fragte Forcalquier mit schallender Stimme. »Etwa Monsieur de la Porte? (Welchen Namen die Menge mit Buhrufen bedachte.) Dieser kleine Scheißer hält sich in seinem Hause versteckt und hat kaum ausreichend Soldaten, die Stadttore zu bewachen. Und auch wenn er jemand hätte, uns zu verhaften, wer soll über uns zu Gericht sitzen? Die Richter des Provinzialgerichts? Sie haben sich davongemacht! (Erneute Buhrufe.) Baron, du mußt begreifen: Hier gibt es weder königliche Offiziere noch Bürger, Richter oder Edelleute mehr! Die Herren sind jetzt wir!«
    »Und du bist der Anführer?«
    »Der bin ich. Ich, Forcalquier! Ich habe mich selbst zum Baron von Lendrevie ernannt und übe allhier die hohe Gerichtsbarkeit aus. Du wirst also sterben, auch deine Söhne. So habe ich es kraft meines neuen Amtes beschlossen!«
    Auf diese freche Rede antwortete die Menge mit fröhlichem Gelächter, und wenn auch Forcalquier entschlossen wirkte,schien die Menge eher belustigt und befriedigt über die schamlosen Drohungen denn bereit, sie ins Werk zu setzen. Mein Vater verspürte diese Gemütslage der Menge und spielte, ohne den Ton zu wechseln, seinen Part in diesem gefährlichen Spiel weiter.
    »Schlächterbaron von Lendrevie«, sprach er mit gutmütigem Spott, »wie schnell geht dir das Richten von der Hand. Kein Richter hat je schneller seinen Spruch gefällt! Doch du mußt dein Urteil auch begründen: für welche Vergehen werden wir bestraft?«
    »Weil ihr euch einem Pesthaus genähert und versucht habt, das darinnen eingesperrte Weib herauszuholen. Dies ist ein Kapitalverbrechen, wie du wohl weißt.«
    »Aber dieses Weib ist gesund. Dafür verbürge ich mich als Medicus! Sie leidet einzig und allein an Hunger.«
    »Wir auch! Wir krepieren vor Hunger!« schrie eine schrille Stimme aus der Menge, und dieser Ruf ward sogleich an allen Ecken und Enden des Platzes wiederholt, so daß sich klagendes Geschrei erhob.
    »Halt ein, Baron! Genug geschwatzt!« rief Forcalquier. »Hörst du meine Untertanen? Jetzt geht es dir an den Kragen!«
    Und mit diesen Worten zog er sein großes Messer aus dem Gürtel. Ob er aus Mut oder aus Tollheit handelte, weiß ich nicht zu sagen, denn eine der Pistolen meines Vaters war auf sein Herz gerichtet. Doch mein Vater drückte nicht ab.
    »Hüte dich, Meister Forcalquier!« sprach er mit ernster Stimme. »Nach der Pest wird man dich und deine Leute zur Rechenschaft ziehen für diese Untat!«
    »Nach der Pest!« schrie Forcalquier. »Ein ›nach der Pest‹ wird es nicht geben! (Er fuhr mit seinem

Weitere Kostenlose Bücher