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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mich auszupeitschen. O mein armer Hintern! Aber das ist nicht weiter schlimm. Mein Pier, ich bin gar oft voler Gedencken an dich und dann wird mir das hertz ganz wee. Hélix.«
     
    Auch ich, eingesperrt im Nordostturm, war voller »Gedenken« an die kleine Hélix, vornehmlich des Abends, wenn ich mein Lämpchen gelöscht hatte und allein auf meinem Bett lag – ohne jemanden zum Anschmiegen. Und gewißlich kam mir der Schlaf auch leichter, wenn ich, ermattet von unseren Spielen, meinen Kopf zwischen ihre weichen Brüste legen konnte, den linken Arm um ihre Taille geschlungen, mein rechtes Bein zwischen den ihren. Arme Hélix, wo magst du wohl sein, während ich diese Zeilen schreibe? In der Hölle oder im Paradies? Noch heute vermag ich nicht zu glauben, daß es eine so große Sünde gewesen sein soll, als ich mit so großem Wohlgefühl ruhig und still in deinen anschmiegsamen Armen lag, noch daß es frevelhaft von dir gewesen, mich in dein Nest zu locken.
    Die Kammer, worinnen Samson und ich eingesperrt saßen, war groß, hell, luftig und voller Wohlgerüche, denn sie diente zur Aufbewahrung unserer Äpfel, welche in guter Ordnung auf Lattenrosten lagen, runzelig und verschrumpelt wie das Gesicht eines alten Weibes, doch keineswegs faulig, obgleich wir schon Juli hatten. Mit ihrem köstlichen Geruch vermischte sich der der Würzkräuter, welche im Kamin verbrannten, wo mit Nadelholz ein großes Feuer unterhalten ward. Mit diesem Feuer herinnen und dem Feuer der Julisonne draußen kamen wir uns vor, als steckten wir in einem Backofen, trotzdem alle Fenster geöffnet waren. Noch schlimmer ward es, wenn wir unsere Fechtübungen abhielten, die Brust mit dem schweren Lederschutz bedeckt. Nach der Übung sanken wir, kaum daß Brustleder und Degen weggelegt waren, keuchend und schnaufend auf unsere Lager, die nackten Leiber von Schweiß überströmt.
    »Der Schweiß«, so schrieb mir justament mein Vater in Beantwortung meiner besorgten Fragen über die Heilungsmöglichkeiten der Pest, »ist das beste Mittel gegen diese Seuche. Gilbert Erouard, Doctor der Arzeneikunst zu Montpellier (ichwünschte, mein Herr Sohn, daß Ihr eines Tages bei ihm studieret, denn er ist hochgelehrt), empfiehlt deshalb den Pestkranken, am Morgen und am Abend ein großes Glas Salzlake zu trinken. Dieses starke Getränk verursacht einen reichlichen Schweißfluß, welcher die Heilung herbeiführen kann, indes das Salz – dessen man sich bekanntermaßen bedient, den Verderb von Schweinefleisch zu verhindern – die Fäulnis aufsaugt, welche das Gift im Leibe des Kranken verursacht.
    Etliche Gelehrte halten viel von
Skorpionöl
. Dazu setzt man ein Hundert Skorpione in einem Liter Nußöl an und verabreicht das Mittel, nachdem man es mit der gleichen Menge Weißwein vermischt. Der Trank verursacht ein heftiges Erbrechen und soll dabei das Gift, welches er an sich zieht, aus dem Körper befördern.
    Ich weiß nicht«, so fuhr mein Vater fort, »was ich von dieser Roßkur halten soll, denn der Pestsüchtige verspürt ohnehin einen ständigen Drang zum Erbrechen, und so halte ich es nicht für notwendig, selbigen noch zu verstärken.
    Ich vermag auch nicht zu erkennen, welchen Nutzen es erbringen soll, den Kranken zu purgieren, da er bereits an ständigen Bauchflüssen leidet. Und nach meinem Bedünken kann auch der Aderlaß ihn nur noch weiter schwächen, da er sich schon in einem Zustand großer Schwäche befindet.
    Ich habe Wundärzte gesehen – unwissende Hohlköpfe –, welche Pestgeschwüre mit glühenden Eisen ausbrannten, und wieder andere, die sie gar mit dem Messer ausschälten. Dies sind nach meinem Bedünken ebenso banausische wie unmenschliche Verfahren. Man muß die Geschwüre eitern lassen, ohne Hand an sie zu legen, außer zur Entfernung des Eiters; denn wenn ein Geschwür eitert, dann zeigt dies an, daß das Gift aus dem Körper hinaus will. Folglich soll man es gewähren lassen.
    Diane de Fontenac habe ich einen
Theriaktrank
verabreicht, welchen ich aus einer erklecklichen Anzahl von Heil- und Würzkräutern verfertigte, die man in Wein ziehen läßt, nämlich Engelwurz, Myrte, Skabiose, Wacholderbeeren, Safran und Gewürznäglein. Ich habe mich mit diesem alleinigen Mittel begnügt, welches stark schweißtreibend ist, und im übrigen Sorge getragen, daß die Kranke gut ißt, reichlich trinkt, rein gehalten wird, daß ihr Fieber besänftigt und durch ermutigendeWorte ihre Todesangst gelindert wird. Der Rest ist

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