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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ihm widerspruchslos zugestanden wurde, weil jedermann die große Erfahrung Jean de Sioracs in kriegerischen Unternehmungen anerkannte.
    Ich hätte es geschworen: mein Vater legte besonderen Wert auf Geheimhaltung und Überrumpelung; und um sein Vorhaben zu verschleiern, veranlaßte er Monsieur de la Porte, Forcalquier mit Verhandlungen hinzuhalten, die ihm, o Wunder! das Recht in Aussicht stellen sollten, am Stadttor von Lendrevie ein Wegegeld zu erheben. Doch Forcalquier wollte mehr. Er trug jetzt Halskrause und Wams und eine Feder an seinem Barett, hielt sich einen Hofstaat aus Spitzbuben und Huren undspielte den großen Herrn. In seiner Tollheit verlangte er, daß die Stadt den König ersuche, ihn zu adeln; Monsieur de la Porte, der sich über diesen törichten Einfall köstlich amüsierte, ging gleichwohl darauf ein, konfrontierte unsern Mann jedoch mit endlosen juristischen Spitzfindigkeiten und brachte schwierige Fragen zur Sprache: könne der König denn Forcalquier adeln, ohne ihm ein Lehen zu geben? Welches Lehen aber könne er ihm geben, ohne einen Lehnsherrn zu enteignen und ihm das Land zu nehmen? Und welchen Lehnsherrn solle er enteignen? »Einen stinkenden Ketzer!« erwiderte Forcalquier edelmütig, der sich vielleicht daran erinnerte, daß mein Vater ihm neunzig Pfund Rindfleisch mitten ins Gesicht geschleudert hatte.
    Während Monsieur de la Porte den Schlächterbaron einlullte, indem er ihm viele Versprechungen machte, ohne ihm etwas geben zu wollen, setzte mein Vater in aller Heimlichkeit Tag, Stunde und Einzelheiten der Unternehmung fest. Alle Beteiligten wurden auf Mespech zusammengezogen: für eine Nacht und einen Tag verließ Coulondre Eisenarm die Beunes-Mühle, Jonas den Steinbruch, Cabusse sein Le Breuil. Und auf der Burg selbst verpflichtete mein Vater seine drei Söhne, Miroul, die beiden Brüder Siorac, Marsal Schielauge und Escorgol, so daß für die Bewachung der Burg nur noch Sauveterre und Faujanet blieben; ihnen wurde Alazaïs beigegeben, von der mein Vater – jedoch außer Hörweite seines Bruders – lachend meinte, daß »sie von den drei Mann am agilsten« sei.
    Erst am Vorabend des festgesetzten Tages, von dem noch niemand etwas wußte, nahm mich mein Vater nach dem Essen beiseite und flüsterte mir zu, ich solle mich zeitig schlafen legen, denn er würde mich um drei Uhr wecken. Ich folgte seinem Rat und schlüpfte, nachdem ich die Öllampe gelöscht, zu der kleinen Hélix ins Bett. Unsere zärtlichen Spiele abkürzend, um schneller zum Abschluß zu gelangen, wollte ich die arme Kleine gerade verlassen, als sie mich ganz fest in ihre Arme schloß und leise zu mir sagte:
    »Ha, mein Pierre! Morgen ist es also soweit!«
    Ich überlegte mir, daß um drei Uhr, wenn mein Vater uns – Samson und mich – wecken käme, das Geheimnis für sie kein Geheimnis mehr wäre. Aber ich gab keine Antwort.
    »Laß dich nicht töten, mein Pierre«, fuhr die kleine Hélix ineinem Atemzug fort, ohne ihre Umarmung zu lockern. »Die ganze Zeit, die du im Nordostturm eingesperrt warst, hatte ich große Sehnsucht nach dir …«
    »Hattest du Sehnsucht nach mir oder bist du nur ›voler Gedencken‹ an mich gewesen?« fragte ich, um sie zu necken.
    »Beides«, sagte sie, aber ohne mich, wie gewöhnlich, zur Strafe zu zwicken. »Beides, Pierre«, fuhr sie mit zitternder Stimme fort, »und wenn diese Strolche dich töten sollten, würde ich sterben im Monat darauf.«
    »Das wäre ein schöner Verlust für Mespech, eine so saumselige Magd!« sagte ich, denn mir mißfiel der Gedanke an meinen Tod, und ich wollte mich von dem Weibergeschwätz nicht weich machen lassen.
    »Lach nicht, mein Pierre«, sagte sie, während ihre Tränen mir die Wangen netzten. »Ich liebe dich mit großer Liebe, wie in der Schrift geschrieben steht. Wenn ich zum Herrn Jesus bete, bist du es immer, den ich vor mir sehe.«
    »So betest du ein Bild an und nicht Gott.«
    »Ich weiß nicht, aber ich liebe dich mit großer schöner Liebe, die größer ist, als jemals eine Frau auf Christenerde sie erfahren hat.«
    Sie schlang ihre runden Arme um meine Taille und drückte mich ganz fest.
    Ich spürte es genau: der kleinen Hélix kamen die Worte aus dem Herzen. Das rührte mich, und von der Tändelei ablassend, sagte ich in demselben ernsten Ton, den sie angeschlagen:
    »Und ich, Hélix, ich liebe dich aus guter treuer Freundschaft, und mein Leben lang will ich darüber wachen, daß niemand dich geringschätze und du nicht Hunger leiden

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