Fortune de France: Roman (German Edition)
ich stellte mich mitten auf die Straße, zog meine beiden Pistolen aus dem Gürtel, feuerte ab und streckte zwei Mann nieder. Miroul, der nur eine Pistole hatte, schoß ebenfalls und verletzte seinen Gegner. François jedoch, über mein Tun verblüfft, bewegte sich nicht von der Stelle, und Samson rührte sich ebensowenig, gewiß nicht aus Feigheit, sondern wegen seiner gewohnten Bedachtsamkeit. Die vier unversehrt gebliebenen Halunken, die in der engen Gasse riesenhaft wirkten, brüllten vor Wut, als sie ihre Kameraden fallen sahen, und stürzten sich, ihre Piken schwingend, auf uns. Ich sah François seinen Degen ziehen, zog den meinen, schnellte dann aber an Samsons Seite, der sich noch immer nicht rührte, und schrie ihm ins Ohr:
»Deinen Degen, Samson, deinen Degen!«
Endlich zog er ihn, doch ich hatte mich ablenken lassen und sah nicht, wie ein Angreifer zu einem fürchterlichen Hieb auf mich ausholte. Die Spitze seiner Pike prallte an meinem Brustharnisch ab, doch war der Stoß so heftig, daß ich zu Boden stürzte, ohne indes meine Waffe fahrenzulassen. Der Mann, der mir von gigantischer Größe schien, war sofort über mir und brüllte, erneut die Pike schwingend: »Jetzt mach ich dich kalt, mein Bürschchen!«
Ich rollte mich zur Seite, während sich die Pike in den schlammigen Boden pflanzte, denn die Gasse war nicht gepflastert. Das war meine Rettung; bevor nämlich der Mann seine Pike wieder herausziehen konnte, sprang ich auf die Füße und versetzte ihm einen so kräftigen Stoß, daß die Spitze meines Degens seinen Körper durchbohrte und im schmutziggelben Lehm der Hauswand steckenblieb. Die Waffe schien sich von meiner Hand losreißen zu wollen, ich rührte mich nicht und starrte den Halunken an, der mit durchbohrter Lunge, gleichsam ans Haus genagelt, mich unverwandt ansah, während sein Atem rasselte und das Blut ihm aus den Mundwinkeln floß.
Ich hob seine Pike auf, doch niemand brauchte jetzt noch meine Hilfe. Ich sah es nicht gleich, erfuhr es aber später: François, der vor seinem Feind zurückweichen mußte, hatte an die Pistole in seinem Gürtel gedacht, sie mit der linken Hand gezogen, geladen und abgefeuert. Miroul hatte seine Pike so geschickt gehandhabt, daß er seinen Angreifer verletzte, der jämmerlich stöhnend am Boden lag. Nur Samson kämpfte noch immer, obwohl er am Arm blutete. Er befand sich zwar im Vorteil, doch seine Güte hinderte ihn, Schluß zu machen. Als sein Gegner das sah und bemerkte, daß er allein war gegen uns vier, wich er zurück, besann sich und gab Fersengeld.
»Schieß, Samson, schieß!« schrie ich.
Doch Samson sah mich mit seinen blauen Augen erstaunt an und sagte, ohne nach seiner Pistole zu greifen: »Warum, wo er doch flieht?«
Ich antwortete nicht. Mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß ich meinem Angreifer den Degen wieder aus dem Körper reißen müßte, und ich schreckte davor zurück. Mit zerbeultem Brustharnisch, über und über vom Straßenschlamm beschmutzt, in dem ich mich gewälzt, kehrte ich ein wenig schwankend zu dem an die Mauer genagelten Mann zurück. Er hatte die Augen geschlossen, hielt sich jedoch aufrecht mit verzerrtem Gesicht, während die beiden Blutrinnsale unablässig aus seinen Mundwinkeln flossen, ohne daß er die geringste Klage ausstieß. Aber als er mich sah oder vielmehr spürte, daß ich das Heft meiner Waffe ergriff, öffnete er die Augen, richtete den Blick auf mich und sagte mit rauher Stimme und keuchendem Atem:
»Wollet, mit Verlaub, die Spitze Eures Degens abwischen, Moussu, bevor Ihr ihn aus mir herauszieht. Es tät mir nicht gefallen,wenn der Schmutz des Mauerwerks mir in den Körper dringt.«
Obwohl mich der Mann hatte töten wollen, bekümmerte mich diese Bitte, ich weiß nicht warum. Ich rief Samson herbei, sagte ihm, daß er den Kerl an beiden Schultern festhalten solle, trat hinter ihn, schob ihn von der Wand, um die Degenspitze zu lösen, und reinigte sie dann sorgsam mit dem weißen Schal, den ich um den Hals trug, voll Staunen über die Empfindsamkeit dieses Halunken, der unweigerlich gehängt würde, selbst wenn er nicht an seiner Verletzung starb.
Mich sodann vor ihn stellend, befahl ich Samson, ihn festzuhalten, packte das Heft meiner Waffe und zog sie mit einem Ruck aus dem Körper. Der Mann stieß einen gellenden Schrei aus, und als er trotz Samsons Hilfe zusammenbrach, versuchte ich, ihn mit der flachen Hand zu stützen, aber er erbrach einen solchen Blutschwall über meine Hand und
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