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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gleiche rote Haar wie sein Esel und war ein hinlänglich schöner Mann, trotz seines verwilderten Bartes und obwohl sein Gesicht von Kummer gezeichnet war.
    »Und was willst du nun anfangen?« fragte mein Vater.
    »Mich aufhängen, wenn ich nicht meinen Esel hätte, der mich liebt und mich hinführt, wohin er mag. Er hat mich hierhergebracht, denn hier hatte er früher eine Freundin. Aber wie in Montignac braucht man auch in Sarlat keinen Sattler mehr, weil die Pferde während der Pest alle geschlachtet worden sind. Und seine Freundin hat mein Esel nicht wiedergefunden: wahrscheinlich hat man sie auch geschlachtet.«
    »Nun, Petremol, laß dich von deinem braven Esel nach Mespech bringen. Wir haben dort quicklebendige Pferde, genügend Häute zu gerben, Sättel zu fertigen und für dich, wenn’s dir beliebt, Wärme, Essen, Unterkunft und ausreichend Gesellschaft, sogar eine Eselin für deinen Esel.«
    Und ohne noch Zustimmung oder Dank abzuwarten, preschte mein Vater so unvermittelt davon, daß ich mich am Ende der kleinen Schar wiederfand, dicht an dicht mit Coulondre Eisenarm reitend, der mich anblickte und sich räusperte, wie wenn er etwas sagen wollte. Ich war gespannt und beobachtete ihn, nicht ohne Beklommenheit, denn ich wußte, daß er den Mund nur öffnete, um einem das Herz schwer zu machen.
    »Mithin«, sagte er schließlich mit leiser, düsterer Stimme, fast zähneknirschend, »ist wieder einmal alles im Lot. Der eine geht. Der andere kommt. Und der da, mit Gold nicht aufzuwiegen, ist weder schieläugig noch Stotterer, Gott sei gelobt!«
     
    Die Frauen erhoben großes Geschrei und Wehklagen, als unsere Schar die drei Zugbrücken passierte mit einem Toten auf dem Karren. Der Maligou und Alazaïs ward von den Herren Brüdern aufgetragen, ihm Brustharnisch, Kleider und Stiefel auszuziehen, seinen blutigen Körper zu waschen und ihn in ein Leichentuch zu wickeln, bevor er im ersten Stock des Nordostturms, im gleichen Raum, wo die Vettern Siorac während ihrer Quarantäne geschlafen hatten, aufgebahrt wurde.
    Der Sitte gemäß, wurden die Fensterläden geschlossen undeine Öllampe angezündet. Die Maligou, die ihre Mahlzeit schon gehabt, übernahm die erste Wache. Doch wurde der Tote alsbald von Faujanet besucht, der bei ihm Maß nehmen kam für einen Sarg. Die Maligou nutzte die Gelegenheit draufloszuschwatzen und beklagte sich leise, daß der Glaube der Herren Brüder ihr verböte, dem Toten ein Kruzifix in die gefalteten Hände zu geben.
    »Das würde ihm was nützen!« murmelte Faujanet zwischen den Zähnen, denn die Bemerkung der Maligou behagte ihm wenig.
    War es doch schon der zweite Sarg, den er seit seiner Ankunft in Mespech zimmerte (der erste war für meine Mutter bestimmt gewesen). Und sehr beunruhigt in seinem Innern, fragte er sich, ob er nicht, kraft der Magie der Zahlen, binnen kurzem einen dritten zimmern müßte.
    »Es ist noch immer so der Brauch«, sagte die Maligou, die außerstande war sich vorzustellen, wie Marsal Schielauge ohne Kruzifix ins Paradies eingehen solle.
    »Sicher ist«, fuhr Faujanet laut fort, ein zweites Mal Maß nehmend, »daß ich, wenn ich als dritter stürbe, nicht selber meinen Sarg zimmern müßte.«
    Faujanet war zufrieden ob dieser Einsicht, die ihn hinsichtlich seiner eigenen Zukunft beruhigte. Er wandte nun seine Aufmerksamkeit dem Toten zu und begann ihn zu beklagen.
    »Der arme Marsal, der heute morgen noch quicklebendig war und seiner Suppe mit solchem Appetit zusprach!«
    Aus Ehrfurcht vor dem Toten, dessen geschlossene Augen nie mehr ihren Fehler offenbaren würden, sagte er »der arme Marsal«, nicht Marsal Schielauge.
    »Der arme Marsal!« echote die Maligou. »Wenn ich es recht bedenke, war er ein braver Mann, tüchtig bei der Arbeit, genügsam wie unser Herr Jesus, mit wenig Sinn fürs Weibervolk (was ein Makel ist bei einem Lebenden, eine Tugend bei einem Toten); die Herren Brüder werden ihn wohl beerdigen wie seinerzeit Madame: ganz schlicht, dem neuen Glauben gemäß.«
    »Wenn ich bedenke«, meinte Faujanet, »daß der arme Marsal erst unlängst, wie auch ich, es schlankweg abgelehnt hat, Müller der Beunes-Mühle zu werden ob der großen Gefahr, durch Wegelagerer zu Tode zu kommen! Und nun liegt er hiersteif und kalt, und Coulondre Eisenarm arbeitet in seiner Mühle, schlürft Suppe mit Wein und bespringt allnächtlich seine Jacotte. Nicht daß ich ihn darum beneide, denn ich trau den Weibern nicht sonderlich, wie du weißt, Maligou.«
    »Ach

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