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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Burgsaal ging, durch meinen großen Streit mit ihr für eine Weile von meinem Trübsinn abgelenkt.
    Alle Kombattanten saßen da zu Tische, aber es war leider nicht das fröhliche Mahl, das mein Vater noch am selbigen Morgen, vor Tagesanbruch, im voraus beschrieben hatte, wo »jeder dem andern von seinen Taten berichtet, die am Abend in unseren Dörfern in aller Munde sein werden«. Alle aßen, und keiner sagte ein Wort; nicht einmal die überm Rebholzfeuer am Spieß gebratenen Hähnchen und die vielen anderen leckeren Speisen oder der Wein des besten Jahrgangs von Mespech vermochten die Zungen zu lösen und die Bekümmernis zu lindern. Denn der Tote weilte unter uns wie am Morgen, jedoch im Nordostturm und mit einem großen Loch im Körper. Cabusse und Coulondre Eisenarm, die Marsal Schielauge vor vierundzwanzig Jahren, anno 1540, kennengelernt hatten, selbigen Jahres, da er in der Normannischen Legion in den Dienst der beiden Hauptleute getreten, schämten sich nicht ihrer Tränen, die unaufhörlich flossen, während sie sich tief über ihre Teller beugten und aßen. Sie beeilten sich dabei, schlangen alles hinunter, ohne es zu genießen, und baten die Herren Brüder noch vor beendeter Mahlzeit um die Erlaubnis sich zurückzuziehen, der eine nach Breuil, der andere zur Beunes-Mühle, um ihre Frauen zu beruhigen. Kaum war die Erlaubnis gegeben, mußte sie auch Jonas zugestanden werden, weil Sarrazine schwanger war und sich in seiner Abwesenheit »ängstigte«.
    Nachdem die drei gegangen waren, wurde es noch ärger. Mein Vater mühte sich, jeden einzelnen zum Reden zu bringen über das, was er zu Lendrevie getan. Man gehorchte ihm, aber es waren trübselige Berichte, denn das Herz war nicht dabei und ebensowenig der Stolz. Die kleine Hélix, die bei Tisch aufwartete und die ich kein einziges Mal angesehen hatte, huschte an meine Seite, meinen Becher zu füllen, und flüsterte mir ins Ohr:
    »Mein Pierre, wenn du mir nicht dein Lächeln schenkst, stürze ich mich unverweilt in den Brunnen.«
    Worauf ich ihr zur Antwort gab:
    »Dumme Schwätzerin, du tätest das Wasser verderben, das wir trinken.«
    Indessen gewährte ich ihr ein Lächeln, aber nur mit der einen Seite des Gesichts, damit sie wüßte, daß ich ihr erst zur Hälfte vergeben hatte.
    Auch mein Vater, der den Trübsinn unseres Gesindes sah, hatte nun Eile, die Mahlzeit zu beenden, die als ein glorreicher Festschmaus gedacht war, viel mehr aber einem Totenmahl ähnelte, bei dem freilich die Gäste, wäre Marsal Schielauge an einer Krankheit gestorben, dank dem Weine munterer und unbefangener gewesen wären. Aber an ihrer Verlegenheit, ihren abgewandten Blicken, ihrer Betrübnis sah man deutlich, wie sehr sie das Gefühl plagte, dieser Tod hätte vermieden werden können und mein Vater habe auf dem Rücken seiner Diener öffentlichen Ruhm und heimliche Beute (die keinem unserer Leute verborgen geblieben war) eingeheimst.
    In Lendrevie hatte mein Vater zu Cabusse gesagt, daß es einen Mann, wenn er Leben genommen, sehr danach verlange, solches zu geben. Ich aber war an jenem Abend nicht gelaunt – obwohl die kleine Hélix von der Maligou wußte, »wo welche Kräuter aufzulegen sind« –, ihr irgend etwas zu geben, sondern eher geneigt, in ihren weichen Armen Zärtlichkeit und Trost zu suchen. Sie hingegen verstand es anders, und mit Drehen und Winden und Schnäbeln bekam sie, was sie wollte, doch nur das eine Mal; als sie sich bald darauf wiederum drehte und wand, sagte ich barsch zu ihr, sie solle endlich still liegen und möglichst auch nicht mehr reden, denn mir stehe der Sinn nicht nach solchen Spielen.
    »Mein Pierre«, sprach sie (denn sie vermochte wirklich nicht, die Zunge lange im Zaum zu halten), »was macht dich nur so traurig?«
    »Der ganze heutige Tag«, sagte ich, »von Anfang bis Ende.«
    »Der Tod von Marsal Schielauge?«
    »Auch.«
    »Daß du drei Männer getötet hast?«
    »Auch. Den dritten zumal, dem ich meinen Degen aus dem Körper ziehen mußte.«
    Sie wollte fortfahren, aber ich sagte ihr, sie solle aufhören mit der Fragerei und dem Gezappel und mich in Ruhe lassen.Worauf sie in dem Schweigen, das sie nicht gewohnt war, einschlummerte.
    Noch im Schlaf mir ganz hingegeben, lag sie in meinen Armen. Doch was mir die Kehle zuschnürte, war nicht so sehr Marsal Schielauge oder der tote Lumpenkerl, den ich an die Hauswand genagelt hatte, sondern jener »seltsame Handel« zwischen Forcalquier und meinem Vater, durch welchen mein Held mir

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