Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
Leos X., hatte dessen hervorquellende Augen, seine gewölbte Stirn und seinen Skeptizismus geerbt. Sie war ohne religiösen Eifer und beinahe ohne Glauben; daher empfand sie weder Haß noch Liebe für die Reformation, die ihr lediglich ein Bauer auf dem Schachbrett Frankreichs war, den sie je nach den Umständen halten oder opfern konnte.
    Mitte Juni gab es für die Herren Brüder einen weiteren Grund zur Betrübnis. Sie erfuhren durch einen Boten, daß Calvin, von seiner unermüdlichen Arbeit aufgebraucht, am 27sten Mai zu Genf gestorben war. Der Reformator hatte das Antlitz der Welt verändert. Durch seine glänzenden Schriften, sein oftmals improvisiertes, aber klares und überlegtes Wort, die Festigkeit seiner Lehre, die Rechtschaffenheit seines Charakters, den glühenden Bekehrungseifer, der die zahllosen Briefe beseelte, die er schrieb und die jeden Empfänger zutiefst berührten; durch die demokratische Struktur, die er den Kirchen verliehen, und dank den von Gottes Geist erfüllten Pastoren, die er herangebildet, hatte er die Reformation in Genf, in Lausanne, in Frankreich, England, Schottland, in den Niederlanden, in Ungarn und der Pfalz verbreitet.
    »Calvin ist tot«, schrieb Sauveterre in das »Buch der Rechenschaft«, »aber sein Werk wird ihn überleben.« – »Das glaube ich auch«, kommentierte mein Vater, »doch die Prüfungen liegen nicht hinter, sondern vor uns. In dieser seltsamen Reise der Regentin und des Königs durch Frankreich meine ich dräuende Wolken zu erkennen, die sich eines Tages über unseren Köpfen entladen werden.«
     
    Ende Juni, als die Hitze das Gras auf unseren Wiesen zu sehr auszudörren drohte, schickte mich mein Vater nach Le Breuil und in den Steinbruch, uns die Hilfe von Cabusse und Jonas bei der Heumahd des folgenden Tages zu erbitten. Ich ritt allein auf meiner schwarzen Stute, denn Samson war am Tag zuvor vom Pferd gestürzt und hatte sich das Bein gequetscht. Da ich Jonas nicht in seinem Steinbruch fand, schlug ich den Weg zu Cabusse ein, dessen Haar auf der Schädelwunde nachgewachsen war und der gerade eine Wiese einfrieden wollte, damit er nicht immer auf seine Lämmer aufpassen müßte.
    »Du stürzt dich in Unkosten, Cabusse«, sagte ich lachend.
    Und ich stieg ab und ließ meine schöne Acla frei.
    »Das kostet nicht viel«, meinte Cabusse, hielt in seiner Arbeit inne und zupfte sich den Schnurrbart. »Das Holz für die Pfähle wächst in meinem Wald. Zudem hat sich mein Beutel wieder gefüllt. Der Herr Baron hat mir dreißig Dukaten für die Unternehmung in Sarlat gegeben.«
    »Dreißig Dukaten! Bist du als einziger so freigebig bedacht worden?«
    »Mitnichten. Zwanzig Dukaten hat der Herrn Baron dem Jonas gegeben, zwanzig Coulondre Eisenarm, zwanzig Escorgol, zwanzig Benoît Siorac, fünfundzwanzig dem Michel, weil er verwundet worden, aber Michel wollte nicht mehr als sein Bruder haben und hat die fünf Dukaten zurückgegeben.«
    »Und du selbst hast dreißig bekommen?«
    »Fünf mehr als die andern für die Verletzung und fünf für das Kommando.«
    Ich sagte nach einem Moment des Schweigens:
    »Diese Beute hat mein Gewissen geplagt. Denn woher stammte sie, wenn nicht aus den Börsen der Sarladischen, die dem Schlächterbaron Wegegeld zahlen mußten?«
    »Und wer hat die Sarladischen aus den Klauen dieses Spitzbuben befreit?« fragte Cabusse ungehalten. »Beute ist Kriegsrecht. Und die Befreiung von Sarlat war es wohl wert, den Bürgern, die seelenruhig im Bette geblieben, während wir kämpften, eine kleine Steuer abzuverlangen.«
    »So also siehst du die Dinge, Cabusse?« fragte ich erstaunt. »Und der kurze Prozeß, den man mit den Verwundeten gemacht?«
    »Großer Gott, wenn es um solche Galgenvögel geht! Wenn ich einer von diesen Taugenichtsen gewesen wäre, die die Todesstrafe erwartete – ich hätte noch dafür bezahlt, daß man mit mir ein Ende macht.«
    Und genau das hat Forcalquier getan, dachte ich. Aber ich schwieg. Im Sonnenschein am Wiesenrand war Cathau aufgetaucht, taufrisch, in blaubebändertem rotem Rock, das blitzsaubere Häubchen auf dem Kopf, die nackten Füße im weichen Gras, ein reizendes Kindlein in ihren bloßen Armen tragend.
    »Gott zum Gruße, Cathau!« sagte ich, freudestrahlend wie mein Vater, doch auch mit Beklommenheit im Herzen, denn siewar so lange die Kammerjungfer Isabelle de Sioracs gewesen, daß ich sie nicht ansehen konnte, ohne an meine Mutter zu denken und an die Medaille, die ich am Halse trug.
    »Gott zum

Weitere Kostenlose Bücher