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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ersehe ich, daß die offenen oder versteckten Anhänger der Reform sich fragten, welcher Sinnesart Heinrich II. wohl sei. Doch wer in seiner Nähe geweilt, kam zu dem Schluß, sein Wesen sei nicht zu ergründen. Anhänglich wie ein junger Hund, von großer Zuneigung für Diane und Montmorency, für seine Kinder und selbst für sein Weib, war Heinrich II. mit achtunddreißig Jahren ein großer Junge, bärtig und mit hervorstehenden Kiefern, welcher die Welt unter halbgeschlossenen Lidern mit leeren Augen anblickte. Grausam war er nur aus Mangel an Phantasie. Nach zehn Jahren Herrschaft war er noch immer derselbe wie in dem Augenblick, da man ihn tränenüberströmt aus den Armen seines sterbenden Vaters gelöst. Er verstand sich höchst trefflich auf das Paume-Spiel, auf die Jagd und aufs Turnierreiten, doch sein Geist war nicht geübt, und so stammten seine Ideen, selbst die allereinfachsten, immer von anderen.
    Die Reformation betrachtete der König als »Pestseuche«. Doch auch diese Metapher war ihm eingeflüstert worden. Er sprach gern davon, daß er sein Volk »frei und erlöst von der gefährlichen Seuche und Unreinheit der besagten Ketzerei« sehen wolle. Das war die Sprache der Pfaffen und Prediger, welche er tausendmal gehört und deshalb als wahr ansah.
    Damit also die »Seuche« oder die »Pest« oder die »Unrein heit « nicht das ganze Königreich erfasse und eines Tages die königliche Macht gefährde, mußte sie folglich mit Edikten und Ketzergerichten, mit Kerkerstrafen, Folter und Scheiterhaufen ausgerottet werden. Auch Bücher, welche über die Grenzen kamen, konnten die Seuche verbreiten: sie wurden verbrannt. Den glühendsten Verfechtern der Reformation schnitt man, ehe man sie auf den Scheiterhaufen zerrte, die Zunge heraus – ausAngst, daß ihr Glaubensbekenntnis von dem flammenden Holzstoß herab das Volk verseuchen könnte. Und der König vermochte nicht zu verstehen, daß die »Seuche« sich trotz aller Gegenmittel weiter ausbreitete und immer neue Anhänger fand unter den königlichen Beamten, den Adeligen, den Lehnsherren und gar den Gerichtsherren, welche sie doch bekämpfen sollten.
    Zehn Jahre der Verfolgung hatten den König nichts gelehrt über diejenigen, welche er verfolgte. Leichtfertig und würdelos lebte er, den alten Gewohnheiten verhaftet, zwischen seinem Eheweib Katharina von Medici und Diane de Poitiers, welche jetzt neunundfünfzig Jahre zählte. Die beiden Frauen, die einander fürchteten, waren übereingekommen, Frieden miteinander zu halten und sich den König im Guten zu teilen. Wenn Heinrich auf Dianes Schoß, geblendet wie am ersten Tage von ihrem sechzigjährigen Busen, Katharina zu vergessen drohte, dann erinnerte ihn Diane mit Nachdruck an seine ehelichen Pflichten und drängte ihn in das Bett seines Weibes.
    Unfähig zu eigenen Entscheidungen, hörte der König in der Politik mit einem Ohr auf Montmorency und mit dem anderen auf den Herzog von Guise. Er fühlte sich mehr zu dem Konnetabel hingezogen, vielleicht weil er instinktiv dessen Unfähigkeit ahnte, die seiner eigenen Unfähigkeit nahekam. Der Guise hingegen beeindruckte ihn. Und so folgte der König bald dem einen und bald dem anderen; da aber ihre Ziele sich widersprachen, war seine Politik verworren.
    So vermerkt mein Vater in seinem »Buch der Rechenschaft«, daß Heinrich II. anno 1557 eigentlich keinerlei Interesse hatte, den Waffenstillstand von Vaucelles zu brechen, der seine Eroberungen gegenüber dem Hause Habsburg sicherte. Aber Guise, der sich durch die Verteidigung von Metz gegen Karl V. hervorgetan, träumte davon, seinem Ruhm durch einen Sieg über Philipp II. von Spanien neuen Glanz zu verleihen. Er hatte den Vater besiegt, nun wollte er unbedingt auch den Sohn besiegen. In seiner Leichtfertigkeit übersah Guise indessen, daß Philipp II. mit Maria Tudor, der Königin von England, verheiratet war und Frankreich diesmal zwei mächtige Königreiche zum Gegner hätte und an allen seinen Grenzen würde kämpfen müssen.
    Der König war geneigt, dem Guise zu folgen, denn als leidenschaftlicherTurnierkämpfer liebte er den Krieg, der in seiner geringen Vorstellungskraft nichts anderes war als ein prächtiges Turnier zwischen zwei Landesherren, welche mit ihren Lanzen gegeneinander anrannten, sich aus dem Sattel zu heben. Mein Vater bemerkt diesbezüglich, daß der König im vorangegangenen Krieg gegen Karl V. mit seinem Heer von 50   000 Mann nichts Besseres anzufangen wußte, als es mit großem

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