Fortune de France: Roman (German Edition)
Verbrüderungsurkunde hinzuzufügen. Mögen alle hier Anwesenden dieser Verlesung mit Aufmerksamkeit folgen, denn ein jeder könnte eines Tages aufgefordert werden, Zeugnis davon zu geben. Monsieur Ricou, waltet Eures Amtes.«
Der Notarius zog eine Schriftrolle aus der Tasche, entrollte sie und verlas langsam ihren Text, von dem ich kein einziges Wort verstand. Ich begriff nur dunkel – wie mir heute, beim Wiederlesen des Textes, bewußt wird –, daß mein Vater im Kriege sterben könnte, welcher Gedanke mich mit Schrecken erfüllte, denn er war mir vorher nie gekommen.
Wenn dieser Fall einträte, so verlas der Notarius, verpflichte sich Junker Sauveterre, die Witwe Isabelle de Siorac als seine eigene Schwester anzusehen und ihr bis an ihr Lebensende Kost und Wohnung zu gewähren; desgleichen werde er François, Pierre, Samson und Catherine in allen Dingen wie seine eigenen Kinder halten. François de Siorac werde vom Zeitpunkt seiner Volljährigkeit an Mitherr von Mespech sein, während Monsieurde Sauveterre die Aufsicht und die Bewirtschaftung der Güter bis an sein Lebensende ausüben werde. Die beiden jüngeren Söhne Pierre de Siorac und Samson de Siorac sollten zum Zeitpunkt ihrer Volljährigkeit eine angemessene Summe erhalten, auf daß sie zu Montpellier zu studieren vermöchten, und zwar Pierre die Arzeneikunst und Samson die Rechtswissenschaft. Was Catherine anbetreffe, so solle sie am Tage ihrer Heirat die Wiese, den Wald sowie den Steinbruch erhalten, welche Isabelle de Caumont in die Ehe eingebracht. In dem Falle, daß Junker Sauveterre vor der Volljährigkeit der vier Kinder verschiede, sollten die Herren de Caumont gemeinsam mit Isabelle die Vormundschaft ausüben.
Nachdem Monsieur Ricou geendet, bedeutete er den Anwesenden, ihre Fragen zu stellen. Meine Mutter fragte mit zitternder Stimme, ob die Tatsache, daß Samson in dem Kodizill Samson de Siorac genannt werde, dessen Legitimierung bedeute. Monsieur Ricou erwiderte, daß dem nicht so sei, denn eine Legitimierung setze ein Gesuch an den König voraus; in dem vorliegenden Falle handele es sich lediglich um die einfache Anerkennung des Kindes, welche die Rechte des Erstgeborenen François de Siorac in keiner Weise schmälere, denn selbiger bleibe der einzige Erbe des Grundbesitzes. Mein Vater hörte diese Erklärungen mit unbewegter Miene an, ohne ein Wort zu sagen noch meine Mutter anzublicken.
Monsieur François de Caumont fragte alsdann, ob es nicht möglich sei, die »angemessene Summe« näher zu bestimmen, welche Pierre und Samson de Siorac bei Erreichung ihrer Volljährigkeit erhalten sollten, um zu studieren. Sauveterre schlug 3000 tourische Livres für einen jeden vor, wobei die Summe bis zum angegebenen Tage der Verteuerung des Getreidepreises folgen sollte; welcher Vorschlag von meinem Vater angenommen und von Ricou dem Schriftstück hinzugefügt ward.
Monsieur Geoffroy de Caumont wollte wissen, warum Pierre de Siorac im Alter von sechs Jahren der Arzeneikunst und Samson de Siorac im gleichen Alter der Rechtswissenschaft vorbestimmt werden solle. Hierauf antwortete mein Vater lächelnd, daß wir als zweitgeborene Söhne eine solide Bildung erwerben müßten, um unseren Lebensunterhalt verdienen zu können. Es sei ihm aufgefallen, daß ich den Kranken, welche er gelegentlich behandele, großes Interesse entgegenbrächte und gar vieleFragen über sie stellte. Samson hingegen lege eine praktische und präzise Denkweise an den Tag, welche ihn für die Rechtswissenschaften zu prädestinieren scheine. Gewißlich könne er sich darin irren, fügte er hinzu, und so solle nach seinem Verständnis ein jeder seiner beiden jüngeren Söhne die vorgenannte Summe unabhängig von der Art des gewählten Studiums erhalten, wenn selbiges nur einen achtbaren Lebensunterhalt sichere. Monsieur François de Caumont schlug vor, diese letztere Anmerkung meines Vaters solle ebenfalls dem Schriftstück hinzugefügt werden, was sogleich getan ward.
Alsdann unterzeichneten Junker Sauveterre, der Chevalier de Siorac, Isabelle de Siorac sowie die Herren François und Geoffroy de Caumont, die Vettern Siorac als auch Cabusse das Kodizill, welch letzterer als einziger von unseren Bedienten seinen Namen zu schreiben wußte, was er nicht tat, ohne eine wichtige Miene dabei aufzusetzen.
Nach vielerlei höflichen Floskeln zog sich nun der Notarius Ricou zurück, gefolgt von Marsal und Coulondre, welche ihn, bewaffnet bis an die Zähne, in die Mauern von Sarlat
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