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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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braucht es einen ordentlichen Schluck, der dir die Speis im Bauch verdünnt, sonst stirbst du noch an einer Darmverstopfung.«
    Faujanet trank so hastig, wie er gegessen. Alsdann richtete er sich auf, reckte die Schultern, blähte die Brust und blickte von seinem hohen Sitz auf das Marktgetümmel hinab wie ein Schwimmer, welcher wieder aus dem Meer aufgetaucht, worinnen er zu ertrinken drohte. Der Blick seiner großen, weit geöffneten Augen schweifte über das Pferd, dessen breiten Rücken, über Cabusse mit seinem Vierkantschädel, den schönen, soliden neuen Wagen, darauf er saß, und seine Miene nahm einen stolzen Ausdruck an. Er gehörte jetzt zu den Glücklichen, die zu essen hatten.
    »Was ist der Herr für einer?« fragte er schließlich mit leiser Stimme.
    »Wir haben keinen Herrn«, gab Cabusse zur Antwort. »Wir haben zwei Hauptleute. Wir, das sind: Coulondre Eisenarm, Marsal Schielauge und ich, allesamt Altgediente der Normannischen Legion.«
    »Und wie sind die Hauptleute?« fragte Faujanet wieder.
    Cabusse blickte um sich.
    »Sie zahlen nicht mehr als andere«, erwiderte er. »Und bei der Arbeit sind sie hart zu sich selbst und hart zu ihren Leuten. Doch in ihrem Hause ist es nicht Brauch, daß der Herr gutes Weizenbrot ißt und dem Gesinde schimmeliges Gerstenbrot vorgesetzt wird. Wir essen alle am Tische der Hauptleute und alle die gleichen Speisen.«
    »Das laß’ ich mir gefallen«, sprach Faujanet und leckte sich die Lippen.
    »Solches ist zwar gut für den Bauch«, hielt ihm Cabusse entgegen, »doch die Freiheit ist dahin. An der Tafel der Hauptleute kannst du deiner Zunge nicht freien Lauf lassen und auch nicht tun, wonach es dich gelüstet. Sie dulden keine Unsittigkeit.«
    »Wenn es nur das ist!« entgegnete Faujanet. »Schönheit kann man nicht essen.«
    »Doch es gibt nicht nur den Hunger des Bauches«, ließ sich Cabusse vernehmen. »Es gibt auch anderen. Und den mußt du allzusehr zügeln. Kein lockeres Wort zur Kammerjungfer, auch kein Kneifen in den Hintern, und wenn du über die Amme stolperst, kannst du gleich deine Sachen packen. Dabei tätest du dir nicht weh, wenn du über sie fällst. Es heißt zwar: ein Mäuschen ist schnell gefangen, wenn es nur ein Loch hat, doch auf Mespech stimmt das leider nicht!« endete er lächelnd.
    »Und wie ist der andere Hauptmann?« fragte Faujanet weiter, der sich jeglicher Bemerkung enthielt und nicht einmal zu lächeln wagte.
    »Was die Arbeit angeht, da sind beide gleich«, gab Cabusse zur Antwort. »Doch was das zweite betrifft, wovon ich eben gesprochen, so ist der andere wohl ein wenig nachsichtiger. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Nein, vier«, verbesserte er sich mit einem Augenzwinkern.
     
    Fünf Jahre später konnte man die Fässer von Mespech im ganzen Sarladischen Land bis hin nach Périgueux finden, so trefflich waren sie gefertigt. Jenen Adeligen, welche auf einen solchen Handel verächtlich herabblickten, entgegneten die Herren Brüder, daß es doch besser sei, seinen Reichtum durch den Verkauf von Fässern und behauenen Mauersteinen zu mehren als durch Raubritterei. Im übrigen hielten sich die Hauptleute von prasserischen Burgfesten fern und entschuldigten sich mit dem Hinweis auf Sauveterres lahmes Bein; in Wahrheit aber scheuten sie die Ausgaben für die vielen Gegeneinladungen. Gleichwohl luden auch sie sich Gäste ein, allerdings in kleiner Zahl und nur zum Essen, ohne Tanz, Spiel und Gesang, auch ohne vielen Aufwand an Kerzen, was den Unwillen meiner Mutter erregte, die mehr Fröhlichkeit und Schaugepränge geliebt hätte.
    Freilich, trotz ihres Wohlstandes hatten die Herren Brüder nicht sonderlich viel Grund zur Freude. Die Verfolgung der Reformierten hatte unter Heinrich II. nicht nachgelassen, im Gegenteil. Auf seinen Befehl hin blieben jetzt auch die Notabeln nicht mehr verschont.
    Für die meisten Perigurdiner war der König ein Mann inweiter Ferne, welchen keiner von ihnen – abgesehen von wenigen Edelleuten – je zu Gesicht bekam und der für ihr tägliches Leben kaum Bedeutung besaß, außer an dem Tag, da die königlichen Beamten die Grundsteuer einforderten. Doch für die Reformierten, welche er gnadenlos verfolgte, war Heinrich II. von so unmittelbarer Gegenwärtigkeit wie der Wippgalgen, die spanischen Stiefel, die Folterbank, die Flammen des Scheiterhaufens oder der Rauch, welcher in den Städten den widerlichen Gestank verbrannten Fleisches verbreitete.
    Aus dem »Buch der Rechenschaft« meines Vaters

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