Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
heiratsreifem Alter hatte.«
    »O die Ärmsten!« rief die empfindsame Cathau. »Anstatt einen Ehegemahl zu bekommen, sollten sie den Vater am Galgen verlieren!«
    Cathau war schon bei den Caumonts die Kammerjungfer meiner Mutter gewesen und tat nun auf Mespech recht vornehm, da ihr unser Adel nicht alt genug war. Im übrigen war sie eine liebreizende Jungfer mit lebhaften schwarzen Augen, frischen Wangen und kirschroten Lippen, deren einziges Streben war, eines Tages Cabusse zu ehelichen. Seitdem Cabusse in den Krieg gezogen war, ging sie des Tags mit tränennassen Augen durchs Haus und warf sich des Nachts seufzend im Bett hin und her.
    »Aber er ward ja nicht gehängt«, sprach Sauveterre, »eben sowenig wie Sire Eustache und die anderen. ›Schlagt ihnen die Köpfe ab!‹ befahl nämlich Eduard III.«
    »Heiliger Herr Jesus!« rief Barberine aus.
    »Doch sie wurden auch nicht geköpft«, fuhr Sauveterre fort. »Denn die sanftmütige Königin von England, obgleich hochschwanger, warf sich dem König zu Füßen und bat: ›Hochher ziger Herrscher, seit ich unter großen Gefahren das Meer von Dover nach Calais überquert, habe ich kein Begehr an Euch gerichtet, doch heute flehe ich Euch an: Um der Liebe Christiwillen, lasset Gnade walten an jenen sechs Männern.‹ Da erweichte das Herz des Königs, er überstellte ihr die Männer, und sie ließ ihnen Milde angedeihen.«
    Hier seufzten die Frauenzimmer tief auf. Wie ich indes später herausfand, hatte Sauveterre die Worte der englischen Königin ein wenig verändert, denn diese hatte in ihrer Bitte an den König die »Liebe des Sohnes der Heiligen Jungfrau Maria« beschworen, welche sich auf den Lippen des Hugenotten Sauveterre kurz und knapp zur »Liebe Christi« wandelte.
    »Nichtsdestoweniger«, fuhr Sauveterre fort, »wurden alle französischen Bewohner von Calais, ob Adelige, Bürger oder Handwerksleute, ihrer sämtlichen Güter benommen und mußten die Stadt stehenden Fußes verlassen, worinnen König Eduard III. an ihrer Statt Engländer der verschiedenen Stände ansiedelte. So legte der englische Kuckuck seine Eier in unser Nest und machte es sich zweihundertundzehn Jahre darin bequem!«
    Hier unterbrach er seine Rede stirnrunzelnd.
    »Unsere Hunde bellen schon seit geraumer Zeit wie wild. Jonas, geh nachsehen, was sie so erregt.«
    Jonas ging mit seinem gemessenen Schritt eines Hünen hinaus. Es verging eine kleine Zeit, dann hörten wir hastige Schritte – Jonas kam hereingestürzt und schrie mit zitternder Stimme:
    »Die Zigeuner greifen an!«

VIERTES KAPITEL
     
    Diese so sehr gefürchteten Zigeuner waren aus Spanien vertriebene Bettler, welche hungernd über die Straßen unserer Provinz Guyenne zogen, bis eines Tages im Unglück der Zeiten ein gewiegter Anführer ihnen Waffen verschaffte und sie zu einer Räuberbande vereinte. Das Schicksal hatte sie nach oben gespült wie Schaum auf den Meereswellen, und wie dieser Schaum würden sie wieder verschwinden, sobald der Frieden zurückgekehrt, ihre Bande zerschlagen und ihr Hauptmann ohne jedes Federlesen gehenkt wäre. Tief im Grunde seines Herzens ahnte dieser wohl, daß sein Abenteuer eines Tages ein solches Ende nehmen müsse, was ihm bei seinen verzweifelten Taten einen schier tollkühnen Mut verlieh.
    Sauveterre hatte vorausgesehen, daß der Angriff im Schutze der Dunkelheit erfolgen würde, und einige Vorkehrungen getroffen. So hatte er innerhalb des Zaunes, welcher unseren Weiher umgab, die Anzahl der Fußangeln erhöhen und deren Abdeckungen derart verstärken lassen, daß sie das Gewicht eines Hundes aushielten, denn seit einiger Zeit liefen dort Tag und Nacht drei große Doggen auf und ab, so rasend und wild, daß sie selbst Faujanet, welcher sie fütterte, kaum an sich heranließen.
    Des weiteren hatte Sauveterre auf allen vier Seiten der Burg in den Mauerfugen, nahe den Zinnen, Fackelhalter anbringen lassen, und auf Jonas’ Schreckensnachricht hin verfügte er sogleich, die Fackeln anzuzünden und auf die vorbereiteten Plätze zu verteilen; so erstrahlten die Burg und das sie umgebende Wasser in einem märchenhaften Licht, welches Samson und mich in helles Entzücken versetzte, uns aber auch zeigte, daß die Zigeuner schon auf unserer Insel saßen. Auf das wütende Bellen der Hunde war eine bedrückende Stille gefolgt, und sobald die Südseite der Burg erleuchtet war, verbargen sich die Zigeuner auf der Insel in den offenen Schuppen, worinnen sich unsere Ackerwagen und -geräte

Weitere Kostenlose Bücher