Fortune de France: Roman (German Edition)
sagte Sauveterre, »und ebenso verdammenswert wie die Unkeuschheit, aus der es entsprungen!«
»Moussu, wie recht habt Ihr!« sprach darauf Sarrazine mit gesenktem Haupt und bebender Brust. »Die Reue quält mich auch gar sehr, und alle Tage bete ich zu Gott um Vergebung, daß mir das Blut so leicht in Wallung gerät.«
Da ein solches Gebet ganz und gar nicht nach Sauveterres Geschmack war, folgte ein längeres Schweigen, welches meine Mutter schließlich brach.
»Was soll mit diesem schamlosen Ding nun werden?« sprach sie mit großer Heftigkeit – und vielleicht dachte sie schon an Jean de Sioracs Rückkunft auf Mespech. »Hier bleiben kann sie auf keinen Fall!«
»Darüber werden wir später befinden«, erwiderte Sauveterre, welcher sich nicht von einer Frau – auch nicht vom Eheweib seines vielgeliebten Bruders – Vorschriften machen lassen wollte. »Der Morgen graut, und ich habe noch was zu erledigen. – Jonas«, fuhr er fort, sich erhebend, »bringe mir Morion und Brustharnisch.«
Er gedachte nämlich, sich zu dem Treffen mit Bassano zu begeben, nachdem Sarrazines Bericht seine Zweifel ausgeräumt, ob der Zigeuner ihn nicht in eine Falle locken wolle. Doch dieser hatte die fünfhundert Livres von Fontenac eingestrichen, dazu die fünfhundertfünfundsiebzig von Mespech, und obendrein war seine Truppe durch einen listigen Streich von einer Meuchlerin befreit. Warum sollte er also, nachdem alles zu seinemVorteil ausgeschlagen, noch ein Wagnis eingehen? Gewiß ritt er jetzt schon zufrieden durch die Lande – auf der Jagd nach neuer Beute.
Über seine Begegnung mit Bassano ließ Sauveterre kein Sterbenswörtchen verlauten, auch nicht im »Buch der Rechenschaft«, und die Brüder Siorac, welche ihn begleitet, blieben dazu so stumm wie gewöhnlich.
Eine Stunde, nachdem sie weggeritten, sahen wir einen der beiden Sioracs zurückkommen, einen Strick zu holen, woraus wir mutmaßten, daß wohl bald ein Toter an einem Baum hängen würde. Doch was für ein Baum dies war und wie die ganze Sache ablief, erfuhren wir erst viel später, und auch nicht von Sauveterre, sondern von unserem Vater, welchem Sauveterre alles anvertraute und dem dann im Laufe der Jahre einige Worte aus dem Munde rutschten – gegen seinen Willen, wie ich annehme, denn die Angelegenheit sollte wohl auf immer ein Geheimnis der beiden Brüder bleiben.
Ich habe keinen Zweifel daran, daß Sauveterre anfangs die Absicht hatte, Bassano lebendigen Leibes zu ergreifen, ihn gefangenzusetzen und gegen seinen Herrn Zeugnis ablegen zu lassen. Doch Bassano, als er plötzlich Sauveterre in der Morgendämmerung daherreiten sah, ging sofort mit erhobenem Degen auf ihn los und hätte ihn, noch ehe Sauveterre blankgezogen, tödlich getroffen, wenn nicht sein Harnisch ihn geschützt hätte. Da nahmen die beiden Brüder Siorac ihre Arkebusen und schossen Bassano über den Haufen, so daß der Angreifer entseelt zu Füßen des Angegriffenen niedersank.
Der Baum, woran die Leiche aufgehängt ward, war die Eiche, welche den Fontenacs in Ausübung ihrer grundherrlichen Gerichtsbarkeit als Richtstatt diente. Sie war mehr als hundert Jahre alt und stand in geringer Entfernung von ihrer Burg auf einem Hügel, direkt vor den Fenstern des Bergfrieds, in welchem sich die Wohngemächer des Burgherrn befanden, so als wolle dieser – und vor ihm seine Ahnen – die Augen auf den armen Schluckern ruhen lassen, welche er zum Tode durch den Strang verurteilt.
Welche Gedanken Bertrand de Fontenac kamen, als er am Morgen seinen Haushofmeister blutüberströmt am großen Aste des Richtbaumes hängen sah, erfuhr niemand, denn er erhob keine Klage vor Gericht und bewahrte – ebenso wie die HerrenBrüder – Stillschweigen über die Sache, hatte er doch sehr wohl jene Sprache verstanden, die ganz ohne Worte zum Ausdruck brachte, was man sich von Burg zu Burg sagen wollte.
Die gute Nachricht von der Einnahme Calais’ durch den Herzog von Guise erreichte Sarlat Ende Januar, doch mußten wir noch drei lange Monate warten, bis mit den ersten Blättern des Frühlings mein Vater mit seinen drei Soldaten heil und unversehrt in sein Mespech zurückkehrte.
Ich habe besonderen Grund, mich des Tages seiner Rückkunft, des 25sten April anno 1558, zu erinnern, denn er fiel mit meinem siebten Geburtstag zusammen; obendrein hatte ich tags zuvor einen harten Strauß mit François de Siorac auszufechten gehabt.
Als Erstgeborener zeigte sich François nämlich überaus anmaßend,
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