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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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obgleich er weder hinreichenden Mut noch Kraft besaß: trotz seiner elf Jahre war er kaum größer als ich, und bei den Leibesübungen bewies er eine Trägheit, welche meiner Achtung vor ihm nicht zuträglich war. Er muß seine diesbezügliche Schwäche wohl gespürt haben, denn er zog den wilden Spielen, bei welchen Samson und ich uns austobten, geruhsamere Beschäftigungen wie das Fischen vor, daran ich wegen der damit verbundenen Bewegungslosigkeit nur wenig Vergnügen fand. Und dies war auch die Ursache unseres Streits an jenem Tage.
    Auf Mespech war ich frühmorgens nach der Maligou immer als erster auf den Beinen, denn sobald ich erwachte, hielt es mich nicht mehr im Bett. So verwunderte es mich an jenem Morgen gar sehr, als ich, im großen Saale vor einer Schale heißer Milch sitzend, François auftauchen sah. In einem hochmütigen Tone, wie ihn zuweilen meine Mutter an den Tag legte und der wohl ansteckend gewesen sein muß – auch Cathau gebrauchte ihn, allerdings nur der Maligou gegenüber, denn mit Barberine hätte sie solches nie gewagt –, sprach er zu mir:
    »Mein Bruder, ich habe die Absicht, heute morgen im Weiher zu fischen. Ihr werdet mich begleiten und meine Ruten wie auch die Eimer tragen, die Würmer auf die Haken ziehen und die Fische anfüttern.«
    Wie viele Male hatte ich schon auf sein Geheiß diese Verrichtungen mit höchstem Widerwillen ausgeführt, obwohl ichdie Dienerrolle haßte, in welche er mich dabei drängte; diesmal machte ich keine Mördergrube aus meinem Herzen und sagte mit Bestimmtheit:
    »Nein, mein Herr Bruder (denn so verlangte er genannt zu werden), ich werde Euch nicht begleiten.«
    »Und warum nicht, wenn ich bitten darf?« fragte François mit hochmütiger Miene und drohendem Blick.
    »Weil ich das Fischen nicht mag.«
    »Ob Ihr es mögt oder nicht, Ihr tut, wie Euch geheißen!«
    »Auf gar keinen Fall«, erwiderte ich, ihm starr in die Augen blickend.
    Diese trotzige Weigerung versetzte ihn in höchstes Erstaunen, und es dauerte eine Zeit, bis er sich wieder gefaßt.
    »Ich bin Euer älterer Bruder«, sprach er schließlich, »und also schuldet Ihr mir Gehorsam.«
    »Gehorsam schulde ich nur meinem Vater und Oheim Sauveterre.«
    »Und unserer Mutter«, setzte François hinzu.
    »Und unserer Mutter«, wiederholte ich schuldbewußt mit einem gewissen Gefühl der Scham, daß ich sie vergessen und François dies bemerkt hatte.
    »Und auch mir«, fuhr François fort.
    »Keineswegs!«
    »Habt Ihr vergessen«, hielt mir François entgegen, »daß ich eines Tages der Herr auf Mespech sein werde und Ihr ein kleiner Medicus in Sarlat?«
    Diese Worte verletzten mich tief, doch ließ ich mir nichts anmerken und erwiderte, so stolz ich konnte:
    »Ich werde ein großer Medicus sein in einer großen Stadt wie Paris, Bordeaux oder Périgueux.«
    »Ob groß oder klein«, sagte François mit allerhöchster Verachtung, »Ihr werdet nichts anderes tun, als Pestkranke und Syphilitiker zu behandeln.«
    »Ich werde tun, was mein Vater tut – aus freiem Willen und ohne Geld dafür zu nehmen.«
    Hier schien François sich nicht mehr auf sicherem Boden zu fühlen, denn er lenkte die Sprache wieder auf seine Absicht, fischen zu gehen.
    »Laßt Euer Geschwätz. Ich habe als Erstgeborener einen Dienst von Euch gefordert, und den habt Ihr mir zu erweisen!«
    »Mein Herr Bruder, ich habe nein gesagt.«
    »Dann werde ich Euch züchtigen.«
    Ich erhob mich und ging entschlossen auf ihn zu.
    »Oder werde Euch züchtigen lassen, was auf dasselbe hinausläuft«, setzte François hastig hinzu.
    Ich fühlte sein Zurückweichen und trieb meinen Angriff weiter voran, denn ich schäumte bei dem Gedanken, daß dieser dumme Tropf eines Tages der Herr von Mespech sein würde, wie er es mir alle naselang in Erinnerung rief. Zudem nahm ich ihm übel, daß er dergestalt bei jeder Gelegenheit auf den Tod meines Vaters anspielte.
    »Ich verachte Euer Fischen«, stieß ich wütend hervor. »Es ist eine Beschäftigung für den gemeinen Mann, nicht für einen Edelen, welchem vielmehr die Jagd, das Reiten oder der Umgang mit den Waffen anstehen.«
    »Der Umgang mit den Waffen!« wiederholte François hämisch. »Während ich mit der Arkebuse auf die Zigeuner schoß, habt Ihr auf Euern Kieselsteinen geschnarcht!«
    »Ich habe nicht geschnarcht!« rief ich entrüstet.
    »Aber gewiß!« sagte François, »und neben Euch schnarchte der Sohn dieser Kuhmagd, den Ihr zu Euerm Freund erwählt!«
    »Samson ist mein

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