Fortune de France: Roman (German Edition)
nicht durch Teilung zu mindern. Es verleiht Euch ansonsten keine weiteren Vorrechte. Indem Ihr Pierre gedemütigt, ihn wie einen Knecht behandelt und ob seiner künftigen Profession verunglimpft habt, habt Ihr der Ungerechtigkeit noch eine zweite hinzugefügt. Die Folgen habt Ihr zu spüren bekommen. Was Samson anbelangt, so habt Ihr mit Euern Worten, welche ihm gelten sollten, auch mich zutiefst beleidigt. Ich möchte solches kein zweites Mal erleben. Die Worte, welche Ihr gebraucht habt, dürfen nie wieder über Eure Lippen kommen, wenn Euch an meiner Zuneigung gelegen. Samsons Mutter ist tot. Es hat Euch nicht zu bekümmern, wer sie war. Ihr habet einzig und allein im Gedächtnis zu behalten, wer Samsons Vater ist, und seinen Sohn zu achten wie Euch selbst. Lasset Euch dies ein für allemal gesagt sein!«
Mich deucht jedoch, daß der Baron von Mespech seine Rede bei ihrer Niederschrift ein wenig abwandelte, denn für gewöhnlich war seine Sprache nicht so schulmeisterlich. Wie dem auch sei, mir ist dieses Schriftstück sehr wertvoll, machte es doch der Unterordnung, welche mein älterer Bruder mir zugedacht, ein Ende und stellte Samson vor aller Augen seinen Brüdern injeder Hinsicht gleich. Was die »Gewalttätigkeit« betrifft, welche mir seinerzeit vorgeworfen ward, so vermeine ich noch heute, daß sie gerechtfertigt und nützlich war wie die des Baders, welcher mit seinem Messer einen Abszeß öffnet, damit der darinnen angesammelte Eiter ausfließen kann.
Alsdann ward die dreifache Strafe aufgehoben, nicht ohne eine feierliche Handlung, die unsere beiden Hauptleute in Anlehnung an Prozeduren erdachten, welche unter dem Heervolk zur gütlichen Einigung und Vermeidung von Duellen dienten. Unter ihrer großgünstigen Zeugenschaft wurden wir drei einander gegenübergestellt und aufgefordert, uns gegenseitig um Vergebung zu bitten und uns gleichzeitig unserer gegenseitigen Zuneigung zu versichern. Es kostete mich gar große Mühe, das Geforderte zu tun, indes François keine Mühe damit hatte, so leicht paßte er sein Wesen jeder ihm auferlegten Form an. Nachdem nun die Ehre eines jeden wiederhergestellt, ging es an die Umarmungen, welche die Beilegung des Zwistes bekräftigen sollten. François mußte seine beiden jüngeren Brüder auf die Wangen küssen, und nach der Beflissenheit zu urteilen, welche er dabei mit bußfertiger Miene an den Tag legte, hätte niemand an seiner Aufrichtigkeit gezweifelt.
An jenem Tage und den folgenden hörte ich mit dem allergrößten Vergnügen meinen Vater und seine Soldaten davon erzählen, wie Calais eingenommen wurde und wie wir die letzten Engländer aus dem Lande gejagt. Das Schicksal Frankreichs erfuhr eine überaus günstige Wendung durch die Einnahme dieser Hafenstadt, welche die Engländer seit dem Hundertjährigen Kriege sich einverleibt hatten, damit gleichsam die Schlüssel zu unserem Königreich in Händen haltend, konnten sie doch von dort aus nach Belieben ihre Soldaten anlanden. Aus dieser Ursache war ihnen Calais unter all den Juwelen ihrer Krone das teuerste; auch hatten sie die Stadt, nachdem sie sie mit getreuen Untertanen ihres Königs bevölkert, auf das allerstärkste befestigt und auf einem der Stadttore die Inschrift angebracht:
Nicht eher werden die Franzosen Calais erobern,
als bis Blei auf dem Wasser schwimmt wie Kork.
Welche Aufschneiderei wohl genüglich beweist, daß alle Völker sich gleichen und auch die Engländer flunkern wie die Gascogner, wenn es um ihre Tapferkeit geht.
Ich war mit meinen sieben Jahren höchst beeindruckt, daß »das Blei auf dem Wasser geschwommen sei«, und bewunderte meinen Vater gar sehr, an dieser Bewerkstelligung teilgenommen zu haben. Auch machte es mich glücklich, daß das Königreich nunmehr wieder alle seine Teile besaß und sich gänzlich in französischer Hand befand, welchen Umstand die Brüder niemals müde wurden zu preisen. Seit jener Zeit sind fünfundzwanzig Jahre vergangen bis zum heutigen Tag, da ich diese Zeilen als gereifter Mann niederschreibe, und immer noch beginnt mein Herz gar heftig zu schlagen, wenn jemand vor mir das Wort »Calais« ausspricht. Daß diese Stadt wieder die unsere ward, nachdem sie so lange das Sinnbild fremder Besatzung gewesen, erachte ich für das bedeutendste Geschehnis, das der Geschichte unseres Königreiches in der Mitte dieses Jahrhunderts seinen Stempel aufgedrückt hat.
Aus dem Munde unseres Landsmannes Pierre de Bourdeille, Seigneur de Brantôme, welcher
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