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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mußte lachen, doch Catherine brach in Schluchzen aus, so daß ich mich erhob, sie in die Arme nahm und tröstete.
    Am folgenden Abend begnügte meine Mutter sich, abgeschreckt von der engen und steilen Treppe (wo sie sich, wie sie sagte, fast »den Hals gebrochen«), Franchou zu entsenden, welche in ihrem Auftrag fragte, ob »der Herr Sohn und das Fräulein Catherine sich wohlbefinden«.
    »Gewiß, Franchou«, platzte ich unter Lachen heraus, denn die kleine Hélix ahmte hinter ihrem Rücken meine Mutter mit Stock nach.
    »Alsdann«, sprach Franchou, ihre sanften Kuhaugen voller Erstaunen auf mich gerichtet, »wünscht Eure Frau Mutter Euch eine gute Nacht.«
    »Danke, Franchou«, rief ich lachend und lachte doch nur aus Angst, daß mir nicht die Tränen in die Augen stiegen. Denn trotz ihrer steifen Förmlichkeit liebte meine Mutter uns. Dessenbin ich mir heute ganz gewiß, sosehr ich damals daran zweifelte. Gar viele kleine Begebenheiten kommen mir ins Gedächtnis, welche beweisen, daß sie ein weiches Herz besaß – so ihre Fürsprache bei den Brüdern, daß die Todesqualen der verurteilten Flurdiebe abgekürzt würden. Es war nur ihre törichte Vorstellung von hoher Abstammung und hohem Stande, die sie veranlaßte, sich ihren Kindern gegenüber so distanziert zu zeigen, worinnen sie das ganze Gegenteil von meinem Vater war: er breitete, wenn er Samson und mir begegnete, die Arme aus, uns den Weg zu versperren, und rief mit fröhlicher Stimme:
    »Halt da, ihr Burschen! Hier ist Wegegeld zu zahlen!«
    »Was für Wegegeld, mein Herr Vater?«
    »Drei Küsse ein jeder! Sofort zu zahlen und ohne zu feilschen!«
    Ich warf mich dann in seine Arme, er hob mich empor, drückte mir schmatzend drei Küsse auf die Wangen und wiederholte dasselbe mit Samson. Hernach gab er uns einen Klaps aufs Hinterteil und setzte fröhlich seinen Weg fort.
    Meine Mutter befand, ein solches Gebaren sei gewöhnlich und eher dem gemeinen Bürgersmann angemessen, wie sie auch höchsten Anstoß nahm an dem Handel mit Mauersteinen, Fässern und Getreide, den die beiden Jeans betrieben, und noch mehr an der strengen Sparsamkeit, welche sie bei der Führung des Hauswesens verlangten, sowie der pedantischen Buchführung über die Ausgaben. »Ein Hundert Haarnadeln für Isabelle: fünf Sols«, verzeichnete mein Vater in seinem »Buch der Rechenschaft«. »Meine Schwäherin«, sprach Sauveterre eine Woche später, nachdem er im Hofe von Mespech eine Haarnadel gefunden und keuchend die Treppe zu Isabelles Gemächern hinaufgehumpelt, sie ihr wiederzubringen, »mich deucht, dies gehört Euch. Achtet auf Eure Haarnadeln, meine Schwäherin, sie sind so teuer.«
    Es war nicht die Enge der Treppenstufen, die meine Mutter davon abhielt, in eigener Person zu uns heraufzusteigen, uns eine gute Nacht zu wünschen; es war vielmehr die Anwesenheit Samsons, welche schmerzliche Erinnerungen in ihr wachrief, und in einem geringeren Grade die Gegenwart der kleinen Hélix, die sie nicht ausstehen konnte, seitdem sie ein paarmal den Blick meines Vaters auf ihrer schwellenden Brust überraschthatte. Auch ließ sie sich nicht wie die beiden Jeans von ihrer »Bravheit« blenden, und hierin täuschte sich ihr inneres Gefühl auch nicht, denn während Barberines Abwesenheit war die kleine Hélix in deren breites Bett gewechselt, in welches sie mich, sobald Franchou das Licht gelöscht, nachkommen hieß. Ich gehorchte ihr, erfreut und beunruhigt zugleich. Und dann begann in der dienlichen Dunkelheit und der Molligkeit des Bettes ein Knuffen und Puffen, ein Hätscheln und Tätscheln, ein Geringel und Gerangel und manch anderes Spielchen, davon keines ganz unschuldig war.
     
    Im Februar anno 1559 brachte Isabelle de Siorac ein Kind zur Welt, welches den Mutterleib tot verließ. Die arme Barberine hatte also das Nachsehen: sie stand da mit einem strammen Büblein im Arm und mit so viel Milch, daß sie – nach ihren eigenen Worten – welche hätte verkaufen können. Doch da gesunde, milchreiche Ammen selten sind, erhielt sie alsbald ein Angebot von einem reichen Bürger aus Sarlat, dessen Weib alljährlich schwanger ging und gerade niedergekommen war. Darüber geriet meine Mutter in gar große Sorge, denn ließe man Barberine ziehen, würde sie nicht mehr zurückkehren, und was sollte dann werden, wenn die Baronin selbst wieder ein Kind bekäme? Sie überredete also die Herren Brüder, Barberine als Kindererzieherin für einen Sol Lohn pro Tag auf Mespech zu belassen und ihr

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