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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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unterwürfig, daß mit ihr keinerlei Streit möglich war. »Gewiß, Madame. Sehr wohl, Madame. Wie Madame wünscht. Ich bin in der Tat recht dumm; ich bitte Madame um Vergebung. Madame hat recht: ich kann nichts. Madame hat sehr viel Geduld mit mir.« Mein Vater hat darüber jedesmal schallend gelacht.
    Etliche Wochen nach der Rückkehr meines Vaters wurde Isabelle de Siorac schwanger, und als sie dessen gewiß war, verließ Barberine noch selbigen Tages Mespech, sich ungesäumt ein Kind von ihrem Manne machen zu lassen, denn sie sollte das meiner Mutter nähren. Man bedenke, was für ein seltsames Gewerbe das einer Amme ist! Ihre Schwangerschaften hatten sich nach denen ihrer Herrin zu richten, und die ganze übrige Zeit mußte Barberine in Trennung von ihrem Ehegemahl ebenso enthaltsam leben wie Jonas in seiner Höhle, wäre es doch für ihre Obliegenheiten verhängnisvoll gewesen, Milch zur Unzeit zu haben und keine Milch, wenn sie gebraucht ward.
    Ich war schier untröstlich ob Barberines Abwesenheit und vermißte ihre Gutenachtküsse, ihre weiche, warme Brust zum Anschmiegen und die zahllosen Liebkosungen, welche siebeim Zubettgehen einem jeden von uns zu gleichen Teilen angedeihen ließ, ehe sie sich selbst niederlegte.
    Die Aufsicht in unserem Turm ward der kleinen Hélix übertragen, welche die beiden Jeans durch den Anschein von Bravheit und Folgsamkeit, den sie sich gab, zu täuschen wußte. Am ersten Abend machte sich meine Mutter die Mühe – begleitet von Franchou, welche ihr leuchtete –, die enge Wendeltreppe heraufzusteigen und vor uns zu erscheinen, schön wie eine Königin in ihren prächtigen Kleidern sowie gestützt auf einen Spazierstock. (»Madame«, so pflegte mein Vater zu spötteln, »was braucht Ihr einen Stock zum Gehen, da Ihr erst siebenundzwanzig Jahre alt und Eure Füße kräftig und gesund?«) Wir lagen alle schon in den Betten, und die kleine Hélix wollte gerade das Licht löschen.
    »Frau Mutter«, fragte ich sogleich, »soll ich mich erheben?«
    »Nein, nein«, sprach die Baronin von Siorac gnädig, »bleibt nur liegen, und auch Ihr, Catherine.«
    Da sie indessen weder Samson noch die kleine Hélix genannt hatte, erhoben die beiden sich artig und stellten sich barfüßig neben ihre Betten, ohne daß meine Mutter dies zu gewahren schien.
    »Mein Herr Sohn«, sprach Isabelle, den schönen Kopf leicht zur Seite geneigt, den ausgestreckten rechten Arm auf ihren Stock gestützt, »befindet Ihr Euch wohl?«
    »Ja, Frau Mutter.«
    »Franchou, du dumme Gans, halte die Lampe näher heran!«
    »Sehr wohl, Madame.«
    »In der Tat, Ihr sehet gut aus, obgleich die Sonne Euch den hellen Teint verdorben hat.«
    Ich verwunderte mich gar sehr, daß meine Mutter das Licht der Öllampe brauchte, dies zu bemerken, denn sie sah mich doch auch tagsüber, und sei es nur zu den gemeinsamen Mahlzeiten.
    »Catherine«, fuhr sie fort, an deren Bett tretend, »befindet Ihr Euch wohl? Franchou, du kleiner dummer Bauerntrampel, die Lampe!«
    »Sehr wohl, Madame.«
    »Nun, Catherine, ich habe Euch eine Frage gestellt.«
    »Ja, Frau Mutter«, sagte Catherine verschüchtert.
    Hierauf schritt meine Mutter in ihrer Pracht und Schönheitetliche Male im Zimmer auf und ab, mit der Stockspitze auf den Estrich schlagend. Sie ging an Samson und der kleinen Hélix vorüber, ohne die beiden auch nur der geringsten Aufmerksamkeit zu würdigen, gleichsam als wären sie – wie Cathau – nur »kleine Stücken Dreck« am Wegrande. Es war eigentlich unschwer zu erraten, von wem François jenes unglückselige Schimpfwort gehört, das er gegen unseren Bruder Samson gebraucht hatte.
    »Nun wohl«, sprach meine Mutter, ihr hochherrschaftliches Schweigen brechend, »ich wünsche Euch eine gute Nacht, mein Herr Sohn, und auch Euch, Catherine.«
    »Danke, Frau Mutter«, erwiderte ich.
    Und mit etwas Verzögerung sprach auch Catherine mit einem lieben und artigen Stimmchen, welches mir – ich weiß nicht warum – das Herz anrührte:
    »Danke, Frau Mutter.«
    Nachdem sie also ihre Pflicht erfüllt, stupste meine Mutter die Franchou mit ihrem Stock ins Hinterteil, ihr anzudeuten, daß sie vorangehen solle, und entschwand hinter ihr, unter majestätischem Schwingen ihres Rockes die Stufen der Wendeltreppe hinabsteigend, deren Enge sie bei jedem Schritt verwünschte. Sogleich sprang die kleine Hélix auf Barberines Bett und vollführte unter vielerlei Grimassen und Verrenkungen einen wilden Tanz, der Samson zum Lachen reizte. Auch ich

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