Fortune de France: Roman (German Edition)
auch zu gestatten, das Kind bei sich zu behalten und zu nähren. In ihrer Großherzigkeit war meine Mutter gar willens, die Taufpatin des Kindes zu werden, und sie nahm dieses Amt auch sehr ernst; oft sah man sie in aller Öffentlichkeit das Kindelein in ihren Armen wiegen, obgleich es doch nur ein »kleines Stück Dreck« und »ohne Geburt noch Herkunft« war.
Wir Kinder, also Catherine, Samson und ich, die wir in so großer Angst gelebt, Barberine zu verlieren, wußten uns gar nicht zu lassen vor Freude, daß sie wieder in ihrem großen Bett thronte, wenngleich wir sie künftig mit einem kleinen Schreihals teilen mußten.
Als sie ins Haus zurückkehrte, trug sie um ihren dicken weißen Hals ein Band, welches schon ihre Großmutter und ihre Mutter getragen (beide gleichfalls Ammen, so daß Barberine die dritte in der Familienfolge war), weil es eine regelmäßige und reichliche Milchbildung begünstigen sollte. Es bestand auseinem einfachen schwarzen Faden (welcher sich deutlich gegen das strahlende Weiß ihrer Haut abhob), woran drei geschliffene Achatsteine hingen, der mittlere von der Form einer langgezogenen Olive, die beiden anderen vollkommen rund. Mein Vater behauptete lachend, daß es sich dabei um ein aus heidnischer Zeit überkommenes Phallussymbol handele. Was dies bedeutete, verstand ich allerdings erst viel später, indes Barberine sich bei solchen Worten bekreuzigte und beteuerte, sie sei eine gute Christin wie ihre Mutter und Großmutter. Gleichwohl fand sie keine Ruhe, ehe sie dem Halsband nicht ein kleines Kreuz angefügt hatte, was dessen Wunderkraft nicht den geringsten Abbruch tat.
Gegen Ende April im Jahre des Herrn 1559 gelangte die Kunde von dem verhängnisvollen Friedensschluß zu Cateau-Cambrésis nach Mespech und versetzte die beiden Jeans in Zorn und Verzweiflung. Wie viele Male habe ich meinen Vater in diesem Zusammenhang die Worte Montlucs zitieren hören, welche da lauteten: »In einer einzigen Stunde hat man alles aufgegeben und unsere großen Siege mit drei oder vier Tropfen Tinte besudelt und herabgesetzt.«
Heinrich II. war in der Tat nur von zwei Gedanken beseelt gewesen: Frieden zu schließen um jeden Preis, damit er zu einem erneuten Schlag gegen die Hugenotten ausholen könne, und Montmorency freizubekommen, welcher bei den Spaniern gefangen saß. In seiner Blindheit trat er Bugey, die Bresse und Savoyen kampflos an Emmanuel-Philibert, den Generalleutnant Philipps II., ab und bot ihm obendrein noch die Hand der Margarete von Frankreich an, der Tochter von Franz I. »Sire, es bricht mir das Herz«, so hielt ihm Monsieur de Vieilleville, der Gouverneur der Ile de France, entgegen, »daß Ihr dem Generalleutnant Eures natürlichen Todfeindes ein solch riesiges Geschenk gemacht; vermöge dieser Nachbarschaft kann nun der König von Spanien jederzeit vor den Toren der Stadt Lyon erscheinen, welche vorher fast inmitten Eures Reiches gelegen, doch nun unversehens zu einer Grenzstadt geworden ist.«
Es half nichts; außer Calais ward alles hingegeben, auch Piemont, und um diesen üblen Vertrag zu bekräftigen, vermählte sich Philipp II., der seine englische Königin verloren, mit Elisabeth, der Tochter Heinrichs II. Durch diese Heirat und durch die Vermählung der Schwester des Königs mit dem Herzogvon Savoyen wurden unsere Feinde von gestern zu unseren Bundesgenossen.
Der König hatte es nur deshalb so eilig mit dem Friedensschluß gehabt, um seine Waffen gegen diejenigen seiner Untertanen wenden zu können, welche den Herrgott nicht auf dieselbe Art wie er verehrten. Kaum war die Tinte des Vertrages getrocknet, da führte er auch schon den ersten Schlag – und zwar zum Haupte hin.
Das Parlament zu Paris beriet seit Ende des Monats April, welche Haltung gegenüber den Protestanten einzunehmen sei, welchselbige einige aus seiner Mitte gegen die Verfolgungen in Schutz zu nehmen gedachten; die einen, weil ihnen die Unabhängigkeit des Königreiches am Herzen lag und sie folglich den Einfluß Spaniens wie auch den des Papstes zurückzudrängen suchten; die anderen, weil sie selbst zu Anhängern der Reformation geworden. Am 10ten Juni begab sich der König in den Sitzungssaal und verlangte, daß die Beratung in seiner Gegenwart fortgesetzt werde.
Die Gerichtsräte ließen sich dadurch nicht einschüchtern. Viole und Du Faur forderten, daß die Verfolgung der Reformierten eingestellt und ein Konzil einberufen werde. Anne Du Bourg erhob seine Stimme gegen die Todesurteile und rief
Weitere Kostenlose Bücher