Fortune de France: Roman (German Edition)
Haupteslängen und nahm deren Beleidigungen mit stiller Verachtung hin. Zwei Wochen lang zögerte meine Mutter, die Riesin zu ohrfeigen, so unerreichbar schien ihr das breite Gesicht. Doch schließlich kam es an einem schönen Sommermorgen im Gemach meiner Mutter zum großen Zusammenprall.
»Alazaïs«, sprach Isabelle, »stell diesen Tisch dorthin.« Ohne ein Wort hob Alazaïs das schwere Möbelstück an, als wär’s eine Feder, und trug es an den von meiner Mutter angezeigten Platz.
»Wenn ich es mir recht überlege«, sagte darauf Isabelle, »gefällt er mir dort auch nicht. Stell ihn doch hierhin.«
Alazaïs gehorchte.
»Ach nein«, sprach Isabelle, »stell ihn doch lieber in diese Ecke.«
Alazaïs leistete Folge, doch als sie abermals den Tisch an eine andere Stelle rücken sollte, sagte sie barsch:
»Madame, genug der Launen und Schikanen. Der Tisch bleibt, wo er ist.«
»Elendes Weib!« schrie meine Mutter außer sich, »du wagst, dich mir zu widersetzen?« Und sie nahm ihren Stock und schlug zu.
Doch Alazaïs, ohne auch nur einen Zoll zurückzuweichen, ergriff den Stock, entwand ihn aus Isabelles Händen, zerbrach ihn über ihrem Knie und warf die beiden Stücke zum Fenster hinaus. Sie fielen in den Weiher, wo das Gesinde sie, nicht ohne heimliche Belustigung, einen ganzen Monat lang im Wasser schwimmen sah.
Isabelle fing fürchterlich zu kreischen an, so daß augenblicks mein Vater herbeigelaufen kam. Als er die Tür öffnete, sah er, wie meine Mutter, ganz bleich, sich mit einem kleinen Dolch in der Hand auf Alazaïs stürzte. Doch die kräftige Kammerjungfer packte den zustoßenden Arm am Handgelenk und schüttelte, bis die Waffe zu Boden fiel und sich in die Dielen bohrte; mein Vater nahm sie sogleich an sich.
»Monsieur«, kreischte meine Mutter, »wenn diese abscheulicheDirne noch eine Minute länger im Hause bleibt, gehe ich meines Weges.«
»Setzet Euch nieder, Madame«, sprach mein Vater mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, »und höret zu schreien auf. Wenn es schon so weit gekommen ist, daß Ihr unsere Bedienten umbringen wollt, dann ist es in der Tat besser, Ihr geht Eures Weges. Denn wäre das Unglück geschehen und die Kammerjungfer durch Eure Hand zu Tode gekommen, dann hätte ich Euch den Richtern zu Sarlat ausgeliefert, so daß Ihr bis zum Ende Eurer Tage im Kerker hättet schmachten müssen.«
»Oh, Monsieur, ich sehe wohl, Ihr liebt mich nicht mehr!« jammerte Isabelle, die Augen voller Tränen und die Hände vor Verzweiflung ringend.
»Und ob ich Euch liebe!« sagte mein Vater und ließ sich mit kummervoller Miene auf einen Stuhl sinken. »Denn wenn ich Euch nicht liebte, würde ich Eure Narrheiten keine Minute länger ertragen.«
»Bin ich denn eine Närrin, mein armer Jean?« fragte meine Mutter, sich ihm zu Füßen werfend und ihn mit den Armen umfangend.
»Und was für eine!« erwiderte mein Vater, welcher der Schönheit meiner Mutter, ihren Tränen, ihrer einschmeichelnden Art noch nie hatte widerstehen können. Und so war er auch diesmal gerührt, sie so reumütig zu seinen Füßen liegen zu sehen, und drückte sie an sich und küßte ihre Lippen.
Alazaïs wollte ihren Augen nicht trauen. Sie verließ das Gemach und begab sich mit ihrem schweren Soldatenschritt zu Sauveterre in den Turm.
»Moussu«, sprach sie mit ihrer rauhen Stimme, »ich muß meinen Dienst hier aufkündigen.«
»Aus welcher Ursache denn, Alazaïs?« fragte Sauveterre.
»Der Herr Baron ist augenscheinlich ganz verhext von seiner Papistin. Sie hat versucht, mich umzubringen, und drei Minuten später hängt er ihr schon wieder am Hals und schmatzt sie ab.«
Alazaïs hat ihren Dienst nicht aufgekündigt, und mein Vater blieb nur so lange verhext, bis meine Mutter empfangen hatte. Darauf verließ uns Barberine ungesäumt, um sich von ihremManne ein Kind machen zu lassen, und der kleinen Hélix ward wiederum die Aufsicht über den Turm und die Kinder übertragen, was den heimlichen Vergnügungen meiner Nächte nur förderlich war.
Die Dolch-Episode mit der nachfolgenden Versöhnung war in dem langen Streit zwischen Isabelle und meinem Vater nur eine kurze Windstille, wonach der Sturm von neuem losbrach. Denn kaum war meine Mutter schwangeren Leibes, erklärte sie nicht ohne einigen Trotz, sie werde das Kind gemäß dem Brauche ihrer Kirche taufen lassen, wie mein Vater es ihr bei der Heirat versprochen. Dies hieß natürlich, Öl in die Flammen zu gießen, welche von neuem bis zum
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