Fortune de France: Roman (German Edition)
Himmel aufloderten – nicht ohne Herzeleid auf beiden Seiten. Die Liebe meines Vaters zu Isabelle stachelte seine Verzweiflung darüber, daß sie durch ihr Festhalten an der papistischen Götzendienerei sich selbst und ihren künftigen Sohn der ewigen Verdammnis auslieferte, nur noch weiter an.
Ich muß gestehen, daß ich in meinen Kindheitsjahren wie auch heute im reifen Alter die Dinge nicht in dieser Weise sehe. Erzogen in zwei Religionen und durch nicht geringen Druck veranlaßt, eine davon zu wählen, vermag ich die aufgegebene weder zu hassen noch ihre »Irrtümer« so zu verabscheuen wie mein Vater; ich kann auch nicht glauben, daß zur Hölle verdammt ist, wer diese Irrtümer ehrlichen Glaubens teilt – schon gar nicht meine Mutter. Doch in damaliger Zeit gab es unter den Menschen nur wenige Männer und Frauen, die sich einer solch toleranten Geisteshaltung befleißigten, wie sich im Folgenden noch zeigen wird.
War doch der grausame Zwist auf Mespech nur verkleinertes Bild und Widerspiegelung dessen, was zur gleichen Zeit im ganzen Königreich zwischen Katholiken und Hugenotten geschah und zu jenen Leidenschaften und Tumulten und schließlich zu den schrecklichen Bürgerkriegen führte, welche das Schicksal Frankreichs fast besiegelt hätten.
SIEBENTES KAPITEL
Etienne de La Boétie – Sohn des Kriminalleutnants, der den Brüdern seine Hilfe beim Erwerb von Mespech hatte angedeihen lassen – war vermöge seiner großen Geistesgaben schon in jungen Jahren zum Rat am Parlament zu Bordeaux ernannt worden, und ein jedes Mal, wenn er sich aufmachte, Michel de Montaigne, »seinen treuen Bruder und unwandelbaren Freund«, auf dessen Schloß aufzusuchen, nahm er seinen Weg über Sarlat, um in seinem Vaterhaus oder, so die Jahreszeit es erlaubte, in dem kleinen Landsitz, welchen er eine Meile von der Stadt entfernt besaß, zwei oder drei Tage der Ruhe zu pflegen, wobei er nie verfehlte, Mespech einen Besuch abzustatten.
Ich entnehme dem »Buch der Rechenschaft« meines Vaters, daß er den 16ten Dezember 1561 mit den Herren Brüdern zu Abend speiste. Der Zufall wollte es, daß auch Isabelles Vetter Geoffroy de Caumont zugegen war, welcher der reformierten Religion mit ebensolcher Unbeugsamkeit anhing wie Isabelle dem Katholizismus.
Diese zufällige Begegnung der beiden Männer war deshalb von besonderem Reiz, da die Regentin vor kurzer Zeit Etienne de La Boétie in Ansehung seiner weithin bekannten Weisheit in den Stand eines Ratgebers von Monsieur de Burie erhoben, welcher Generalleutnant von Guyenne (doch beklagenswerterweise nicht der einzige in diesem Amte!) war und in diesen bewegten Zeiten alle Mühe hatte, Eintracht und Frieden zwischen den Untertanen des Königs zu wahren oder wiederherzustellen. Bei dem Abendschmaus herrschten in Gegenwart unserer Leute eitel Höflichkeit und Artigkeit; danach zogen sich die Herren wie gewohnt in die Bibliothek meines Vaters zurück, wo ein großes Feuer im Kamin loderte, und hier nahm die Unterhaltung eine ganz andere Wendung, da Etienne de La Boétie die Rede auf die Zwistigkeiten brachte, welche im Agenais, im Quercy und im Périgord zwischen Katholiken und Reformierten ausgebrochen waren.
Dieses Gespräch hat mein Vater am nächsten Tage
verbatim
1 in seinem »Buch der Rechenschaft« festgehalten, so sehr schätzte er die gewandte Rede, welche ohne Mühe von den Lippen La Boéties floß, gefällig, wortreich und auch erbaulich, war doch der Gehalt so reich als die Hülle schön. Ist es nicht Jammer und Schade, daß der Tod uns diesen so jungen und hehren Genius entrissen, welcher in seiner Weisheit und Besonnenheit die höchsten Ämter des Königreiches auf das trefflichste hätte ausfüllen können?
Es erwies sich sehr rasch, daß La Boétie das Gespräch an jenem Abend nicht ohne Grund auf den vorgemeldeten Gegenstand gelenkt, denn er hatte von Amts wegen eine Warnung auszusprechen, welche sich indes weniger an die Herren Brüder denn an Geoffroy de Caumont richtete, den er unablässig mit seinen strahlenden Augen betrachtete, während ein Lächeln auf seinem Gesicht lag, dessen Häßlichkeit man sofort vergaß, wenn er den Mund auftat.
»Das Unglück ist«, so sprach er lächelnd, »daß die Menschen den Glauben der anderen nicht leicht ertragen. Seit Katharina von Medici und Michel de L’Hospital den Verfolgungen, unter denen Ihr gelitten, ein Ende gesetzt, ist die Reformation erstarkt, insonderheit in unseren mittäglichen Provinzen, und mit der
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