Fortune de France: Roman (German Edition)
schließlich Handgreiflichkeiten. Die Volksmenge, beträchtlich angewachsen und heimlich angestachelt von besessenen Katholiken, schlug die Türen des Hauses Orioles ein, stürzte sich auf die »Ketzer« (dort versammelt, um »das Wort des Teufels zu hören«) und machte gut dreißig von ihnen nieder.
Was nun den Totschlag an Baron de Fumel anbetrifft, so handelte es sich dabei um eine Erhebung seiner Bauern unter dem Deckmantel der Religion. Sie trugen einen solchen Haß auf ihren alten Grundherren in sich, daß sie ihm nach der Erstürmung seines Schlosses die Kleider vom Leibe rissen, ihn zu Tode peitschten und dem leblos am Boden Liegenden, als ob sein Tod ihnen nicht genüge, noch zahllose Büchsen- als auch Pistolenkugeln sowie Dolchstiche verpaßten; es war keiner unter ihnen, der nicht sein Mütchen an ihm kühlen wollte, wobei der Metzger von Libos ihm gar mit seinem großen Messer den Hals durchschnitt.
Die weisen Ratschläge, welche Etienne de La Boétie in diesenZeiten blutiger Zusammenstöße an Geoffroy de Caumont richtete, stießen bei den Herren Brüdern nicht auf taube Ohren. Allerdings folgten sie hierbei nur ihren natürlichen Neigungen. Mein Vater zählte damals sechsundfünfzig Jahre, Sauveterre einundsechzig, und da sie beide danach strebten, ihren so schwer erworbenen Besitz zu erhalten, wollten sie ihn nicht durch blindwütigen Eifer aufs Spiel setzen. So rührten sie die Kirche zu Marcuays nicht an und auch nicht die Burgkapelle von Mespech, worinnen das Kruzifix und das Marienstandbild (welches mein Vater im übrigen bewunderte, denn es war aus bemaltem Holz und von sehr natürlicher Gestaltung) ihren Platz behielten. Ja mehr noch: weil es Jean de Siorac widerstrebte, meine Mutter jeden Sonntag von zwei hugenottischen Soldaten nach Marcuays geleiten zu lassen (was einige fanatische Papisten zu Unüberlegtheiten hätte reizen können), zahlte er dem Pfarrer Feuerzange weiterhin fünf Sols im Monat, damit dieser auf der Burg für meine Mutter die Messe lese; prächtig anzusehen in ihren schönsten Kleidern, saß Isabelle de Siorac in stolzer Andacht ganz allein in der Kapelle und hatte ihr katholisches Gebetbuch wie ein Wappenzeichen in der Hand, ohne es jemals zu öffnen.
Nach dem Gottesdienst luden die Herren Brüder den Pfarrer Feuerzange zu einem Imbiß in die Bibliothek meines Vaters und sprachen mit ihm in höflichen Worten vom Wetter und dem Gedeihen der Feldfrüchte. Der habgierige, lüsterne und sauflustige Feuerzange, dem es nicht an Schlauheit fehlte, war sich des Vorteiles wohlbewußt, in diesen so unruhigen und für die Geistlichkeit so gefahrvollen Zeiten gute Beziehungen zu den Grundherren des Ortes zu bewahren, aus welcher Ursache er die Ketzer in seinen Predigten schonte und sich niemals, öffentlich oder privat, offen oder versteckt, auch nur in dem kleinsten Angriff gegen Mespech erging. So blieb inmitten eines Meeres von harscher Zwietracht, zu dem das Königreich geworden, der Friede in Taniès, Sireil und Marcuays erhalten, und als die Hugenotten später, nachdem sie die Herrschaft in Montignac erlangt, die Kirche von Taniès ihrer Bildwerke berauben wollten, eilte Siorac mit seinen Soldaten herbei, sie davon abzuhalten.
Doch auch diese Mäßigung hatte ihre Gefahren, wie man noch sehen wird, denn in der Härte der Bürgerkriege waren die Gemäßigten beider Seiten in keinem der Lager wohlgelitten.Während dieser ganzen Zeit schwelte indes auf Mespech unter der Oberfläche des befohlenen Protestantismus eine heimliche papistische Götzendienerei. Ich ward dessen unter höchst seltsamen Umständen gewahr, nämlich als ich mit der kleinen Hélix im großen Bette Barberines lag, welche aus der vermeldeten Ursache in ihrer eigenen Behausung weilte. Mitten in der stockdunklen Nacht hub die kleine Hélix unversehens so stark zu zittern an, daß das Bett erschüttert ward.
»Was ist dir?« fragte ich, halb erwacht. »Du zitterst so.«
»Ja«, erwiderte sie, »ich kann nichts dagegen tun.«
»Und warum nicht?«
Keine Antwort.
»Bist du etwa vom hitzigen Fieber ergriffen?« sprach ich, von ihr abrückend.
»Nein, nein«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich muß nur daran denken, welch große Sünde es ist, was wir jede Nacht treiben, die der Teufel über uns breitet, und alles ist deine Schuld.«
»Meine Schuld! Du kleines Luder!« wehrte ich mich, vollends erwachend. »Sieh einer an! Wer hat denn angefangen?«
»Das war ich«, gab sie widerwillig zu, »aber du hast
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