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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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mich in Versuchung geführt, weil du so ein hübscher Bursche bist.«
    »Dann hättest du eben standhafter sein müssen.«
    »Wie sollte ich das, ich arme Tochter einer armen Bedienten und du der Sohn des Barons?«
    »Du machst dich lustig, Spitzbübin!« sagte ich gereizt. »Den Sohn des Barons hast du vor kurzem noch in den Hintern gekniffen, daß er blaue Flecke bekam. Und von der ›Sünde‹ hast du mir mehr beigebracht, als ich jemals wußte.«
    »Aber nun bereue ich es«, schluchzte sie und vergoß echte Tränen.
    Ich vergewisserte mich, daß sie echt waren (war sie doch eine große Schauspielerin und die Nacht stockdunkel), indem ich ihr mit dem Finger unter den Augen entlangfuhr. Ihr Kummer rührte mein Herz, denn über die kleinen Spielchen hinaus, welche mich ihr verbanden, war ich ihr herzlich zugetan.
    »Hélix«, sprach ich also, »wenn dem so ist, bleibt nichts anderes als mit allem aufzuhören.«
    »O nein, o nein!« rief sie, »jetzt doch nicht, wo du bald elf bist und gottlob endlich zum Manne wirst!«
    Mit Heftigkeit schlang sie ihre runden Arme um meinen Kopf und drückte ihn gegen ihre kleinen Brüste, wodurch ich gleich doppelt zum Schweigen verurteilt war: zum einen, weil sie mir den Mund verschlossen, und zum anderen, weil sie mich höchstlich entzückten, obzwar ich noch ein rechter Gelbschnabel war.
    Schließlich ließ sie meinen Kopf los und begann noch heftiger zu weinen und zu zittern.
    »Wie bin ich doch zu bedauern, mein armer Liebling«, sprach sie, über mich geneigt und mich mit ihren Tränen netzend, »immerfort muß ich mir vorstellen, wie ich eines Tages in der Hölle brate und die Teufel mich mit ihren Gabeln über den Flammen bald nach der einen, bald nach der anderen Seite drehen, damit ich armes Wesen ganz und gar geröstet werde, obwohl ich Gott so liebe und den Herrn Jesus auch.«
    »Aber niemand kann doch im voraus wissen, ob er zur Hölle verdammt ist«, sprach ich, besser bewandert in den hugenottischen Glaubenssätzen denn sie.
    »Doch, doch!« erwiderte die kleine Hélix, »ich werde in der Hölle braten, das fühle ich mit jeder Faser meines Leibes. Oh, warum bin ich nicht um die Jahre jünger, die ich älter bin als du! Dann könnte ich wie die Maligou sagen, mir sei Gewalt angetan worden vom Sohn des Barons, dem eine arme Dienerin zu gehorchen hat, und ich wäre schuldlos und ohne Sünde.«
    »Aber das wäre doch eitel Erfindung und Lügerei, Hélix! Wenn du das Streicheln und Liebkosen vergessen hast, mit dem du angefangen, will ich es dir ins Gedächtnis zurückrufen.«
    »O nein! Bleibe mir vom Leibe damit, du Schlimmer! Hebe dich hinweg!« fauchte sie und rückte von mir ab. »Du hast mich verhext, weil du aussiehst wie ein blitzender Golddukaten mit deinem schönen goldblonden Haar. Doch das ist alles nur Schein und Blendwerk! In Wahrheit bist du der Teufel!«
    »Das bin ich nicht, und du weißt es genau!« erwiderte ich zornig. »Der Teufel ist dort«, fuhr ich fort, mit der Hand verschiedene Stellen ihres Leibes berührend. »Und wenn du noch einmal behauptest, ich sei der Teufel, dann werde ich wieder bei Samson schlafen und um dieses Bett einen großen Bogen machen.«
    »O nein, o nein!« rief sie, mich wiederum mit den Armen umschlingend und auf das heftigste an sich pressend. »Geh nichtweg, Pierre de Siorac, ich flehe dich an! Sonst bin ich unglücklich und muß mich vom Turm herab in den Weiher stürzen.«
    Diese Drohung beunruhigte mich nicht übermäßig, denn ich hatte sie zu oft von den Lippen meiner Mutter gehört, und es gab keine Frau auf Mespech, die in verzweifelter Gemütsverfassung nicht auch schon davon gesprochen hätte. Trotzdem suchte ich die kleine Hélix zu trösten, die langsam in ihrem Weinen und Schluchzen nachließ. Ich wähnte sie schon vollends beruhigt, als sie mit kläglicher Stimme sprach:
    »Ich bin eben noch viel zu klein für meine große Sünde.«
    »Wie soll man das ändern«, erwiderte ich treuherzig, »wenn du nicht aufhören willst?« (Und offen gestanden, wollte ich es auch nicht.)
    »Ich weiß«, rief sie plötzlich. »Wir werden beide zusammen zur Heiligen Jungfrau beten, auf daß sie Fürbitte einlege für uns bei Gottes Sohn!«
    »Zu Maria beten!« sprach ich entrüstet. »Das wäre Götzendienerei! Dann wären wir erst recht zur Hölle verdammt!«
    »Aber nein! Meine Mutter betet jeden Tag heimlich zu ihr, ebenso die Maligou, die Gavachette und auch ich!«
    »Was erzählst du da?«
    »Die Wahrheit. In einer Ecke

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