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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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des Dachbodens hat die Maligou einen kleinen Marienaltar hergerichtet, mit einem schönen großen Standbild und getrockneten Blumen. Und dort beten wir abwechselnd und küssen der Maria die Füße, und eine hält immer Wache.«
    »Weiß das meine Mutter?«
    »O nein, wir wagen es ihr nicht zu sagen.«
    »Und warum nicht?«
    »In ihrem Zorn vermag sie ihre Zunge nicht zu hüten.«
    »Und wann tut ihr das?« fragte ich.
    »Wenn sich die hohen Herren des Abends in ihre Bücherkammer zurückziehen.«
    Dieser Zeitpunkt war gewißlich gut gewählt; denn des Abends gab es im großen Saale ein rechtes Hin und Her: die Frauen waren mit der Hausarbeit beschäftigt, und die Mannsbilder, um den Kamin versammelt, in dessen Glut Kastanien rösteten, schwadronierten laut und viel in Abwesenheit ihrer Herren, so daß sich einer leicht entfernen konnte, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.
    »Ich werde nicht zu Maria beten«, sprach ich entschlossen. »Tu du es, wenn es dich beruhigt.«
    »Aber allein hat es keine Wirkung«, entgegnete die kleine Hélix. »Wir müssen zusammen beten, alldieweil wir zusammen sündigen.«
    Und zusammen weitermachen! dachte ich und war geneigt zu spotten, weil ich sehr wohl spürte, auf welch schwachen Beinen ihre Logik stand. Indes versprach ich auf ihr Bitten, Stillschweigen zu wahren über den heimlichen Marienkult in unserer hugenottischen Hochburg. Und hielt mich auch streng an mein gegebenes Versprechen, wenngleich ich aus Treue zu meinem Vater Gewissensqualen dabei litt. Doch hatte ich andererseits zuviel Angst, die Herren Brüder könnten Barberine und die kleine Hélix davonjagen, als daß ich nicht reinen Mund gehalten hätte.
     
    Etienne de La Boétie hatte gewißlich wohl daran getan, Geoffroy de Caumont vor Montluc zu warnen, welcher sich nach einer Zeit des Schwankens zwischen der katholischen Kirche und der unseren für die erstere entschieden hatte, wobei einzig die Hoffnung, bei Hofe sein Glück zu machen, seine Gier nach Geld und seine abscheuliche Lust am Blutvergießen den Ausschlag gegeben hatten. Nach seiner äußeren Erscheinung war er ein dürrer, knochiger Mann mit eingefallenem Gesicht, hohen, hervorstehenden Backenknochen, zornmütigen Augen und dünnen Lippen. Bar jeglichen Fanatismus, tötete er nicht um einer Überzeugung willen, sondern allein aus Berechnung, aus Rache oder zum Vergnügen.
    In dem Flecken Saint-Mézard im Agenais zeigte er im Februar 1562 zum ersten Male, zu welcher Grausamkeit er fähig war. Dort hatten sich die hugenottischen Bauern gegen ihren Grundherren Sire de Rouillac erhoben, welcher seinen reformierten Untertanen verwehren wollte, die Bildwerke in der Kirche zu Saint-Mézard zu zerstören und sich der Meßkelche zu bemächtigen (denn solche Unternehmungen waren nicht nur vom Glauben inspiriert, auch die Gier nach Beute hatte ihren Anteil daran). Darauf war eine empörte Menge Volkes zu Rouillacs Haus gezogen und hatte ihn darinnen belagert. Er hatte indes mehr Glück als Baron de Fumel und mußte nicht sein Leben lassen, da ihm rechtzeitig einige Edelleute aus derNachbarschaft zu Hilfe geeilt waren. Doch hatte es von beiden Seiten gar üble Beschimpfungen gegeben, insonderheit wegen eines großen Steinkreuzes auf dem Friedhof, welches einige Hugenotten zerschlagen hatten.
    Montluc eilte mit seiner Truppe nach Saint-Mézard, wo er am Morgen des 20sten Februar anlangte. Da sich jedoch keiner seiner Kriegsleute dort auskannte, konnten sich alle Hugenotten in Sicherheit bringen, außer einem gewissen Verdier, zwei anderen armen Kerlen und einem jungen Diakon von achtzehn Jahren, welche vier man ergriff, in Fesseln legte und auf den Friedhof brachte, allwo Montluc, von seinem Henkersknecht gefolgt, sie den beiden Konsuln von Saint-Mézard und einem Edelmann aus dem Orte gegenüberstellte.
    »Ihr elenden Frevler«, herrschte Montluc sie an, »ist es wahr, daß ihr diesem Edelmann und den beiden Konsuln, als sie euch vorhielten, der König würde euer Tun mißbilligen, geantwortet habt: ›Welcher König? Wir sind hier König. Der, von dem ihr sprecht, ist nur ein Scheißer von einem König. Wir werden ihm die Rute geben und ihn ein Handwerk lehren, damit er sich sein Brot wie alle anderen selber verdiene.‹«
    »Oh, Herr!« rief Verdier, »seid einem armen Sünder gnädig!«
    »Erzschurke«, erwiderte Montluc, »du verlangst Gnade und hast deinem König den Respekt versagt?«
    Mit diesen Worten stieß er ihn auf das zerbrochene Kreuz und befahl seinem

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