Fortune de France: Roman (German Edition)
schwarzen Samtbarett, so betrat der Sieger von Calais als erster das Kirchenschiff, ganz offensichtlich der größte, der schönste und der würdevollste unter all den Edelleuten in seinem Gefolge. Er hatte besonderen Grund, sich in Vassy hocherhobenen Hauptes zu zeigen, fühlte er sich doch hier fast wie der Herr der Stadt, da diese zum Besitz seiner Nichte Maria Stuart gehörte.
Kaum hatte er indes im Chor auf seinem vergoldeten Stuhl Platz genommen, als ihm vermeldet ward, daß kaum einen Büchsenschuß entfernt fünfhundert Reformierte in einer Scheune ihren Gottesdienst abhielten.
»Wie!« sprach er gereizt, »bin ich hier nicht fast der Lehnsherr? Und überdies ist Vassy eine befestigte Stadt, so daß die Ketzer auch nach dem Januar-Edikt nicht das schandbare Rechthaben, welches sie sich hier anmaßen. Das sind ihre schönen Evangelien! Immer müssen sie zündeln! Laßt uns diese Vermessenen lehren, daß ich meinen Untertanen nicht erlaube, sich so widersetzlich zu zeigen!«
Und er verließ die Kirche mit seinem Gefolge. Zum Unglück eilten zwei seiner hitzigen Leute voraus, betraten noch vor ihm die Scheune und verursachten einen Tumult.
»Ihr Herren«, redeten die Hugenotten sie höflich an, »wollet Ihr nicht Platz nehmen?«
Worauf der junge La Brousse die Hand an den Degen legte und rief:
»Gottsblitz! hier gehört alles niedergemacht!«
Darüber gerieten die Hugenotten in hellen Zorn, warfen die Störenfriede zur Tür hinaus und verschanzten sich. Etliche waren freilich schlecht beraten und stiegen auf ein Gerüst über dem Eingang, von welcher Stelle sie den Herzog und seine Begleitung mit Steinen begrüßten.
Sie wurden sogleich von Büchsenkugeln durchlöchert. Alsdann stieß man die Türen ein und schoß auf die Fliehenden wie auf Tauben. Als der Herzog dem Metzeln endlich Einhalt gebot, lagen vierundzwanzig Hugenotten tot auf der Erde, und mehr als hundert waren verwundet.
Die politische Rolle, welche der Herzog seit kurzem spielte, verlieh diesem Geschehnis eine besondere Bedeutung. Er hatte sich nämlich mit Montmorency und dem Marschall de Saint-André zu einem Triumvirat zusammengeschlossen: über den Kopf der Regentin hinweg, die zuviel Nachsicht gegen die Reformierten zu üben schien, gedachten sie die Ketzerei auszurotten und waren willens, dem abscheulichen Ratschlag des Papstes an den jungen Karl IX. zu folgen und
mit Feuer und Schwert die Feinde niederzumachen.
Der Guise nahm dies freilich nicht unbedingt wörtlich. Als großer Feldherr neigte er – anders als Montluc – von Natur aus nicht zur Grausamkeit, sondern pflegte mit Milde, Höflichkeit und Ritterlichkeit zu handeln. In Metz und in Calais hatte er seinen Gefangenen eine menschliche Behandlung angedeihen lassen. In seiner Todesstunde beichtete er das Massaker zu Vassy, leugnete allerdings, es vorbedacht zu haben.
Mein Vater, der unter Guises Befehl vor Calais gekämpft hatte, hielt große Stücke auf ihn, trotz seines katholischen Eifers(in den sich zweifelsohne einiger Ehrgeiz mischte); bezüglich Vassy pflegte er zu sagen, daß es der Herzog wegen des Bruchs des Januar-Ediktes wohl bei einer scharfen Verwarnung seiner »Untertanen« hätte bewenden lassen, wenn nicht die Hitzköpfe auf beiden Seiten die Dinge auf die Spitze getrieben hätten. Der Herzog, meinte er, war von den Geschehnissen überrascht worden, und dann waren ihm die Folgen über den Kopf gewachsen.
In Cahors hatte es bei dem Massaker im Hause Orioles mehr Tote gegeben als zu Vassy. Wer aber trug die Schuld daran? Ein alter Domherr hatte die Volksmenge angestachelt. Die Schuld des ersteren und der letzteren ward mit Kerker und Galgen gesühnt. Doch das Blutbad von Vassy hatte ein Prinz von Geblüt zu verantworten, der mehr Macht besaß als der König von Frankreich. Er hatte zugeschlagen, ohne daß ihn jemand zur Rechenschaft ziehen konnte, es sei denn ein Prinz seinesgleichen mit Waffengewalt. Condé war sich dessen bewußt und begann alsbald, Soldaten anzuwerben.
Vermeinend, die Ereignisse von Vassy würden ihm nicht zum Ruhme gereichen, sah Guise seiner Ankunft in Paris mit einiger Sorge entgegen, denn die Nachricht von dem Massaker war ihm vorausgeeilt. So war er höchstlich überrascht, daß er in der von den Pfaffen aufgestachelten Hauptstadt mit einem wahren Taumel der Begeisterung empfangen ward. Als der Held in die Altstadt einritt, gekleidet in karmesinrote Seide, welche sich auf dem schwarzen Fell seines spanischen Rappen doppelt prächtig
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