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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ausnahm, schrien ihm die herbeigelaufenen Pariser immer nur zu: »Vassy! Vassy!«, als habe er zu Vassy seinen schönsten Sieg errungen. Die Weiber und Jungfrauen drängten sich fast bis vor die Hufe seines Rosses, um klopfenden Herzens den himmlischen roten Erzengel, Schutz und Schirm der Kirche gegen das Ketzertum, zu bewundern.
    Guise eilte von einem Triumph zum anderen. Vor seinem Palais erwartete ihn der Stadtvorsteher mit seinen Pairs, ihm zwanzigtausend Mann und dazu noch zwei Goldmillionen darzubieten – mehr, als die reichen Pariser Bürger für den Feldzug Heinrichs II. gegen den Spanier aufgebracht. Diese Darbringungen, so der Stadtvorsteher, sollten dazu beitragen,
das Königreich zu befrieden
, anders ausgedrückt: es in die Schrecken eines brudermörderischen Krieges zu stürzen.
    Innerhalb eines Monats hatte die Feuersbrunst, welche zu Vassy entfacht worden war, das ganze Königreich erfaßt. In Sens hetzte anläßlich einer Pilgerfahrt ein fanatischer Jakobinermönch die Volksmenge auf die Protestanten, welche mit Schlägen traktiert, erwürgt und in den Yonne-Fluß geworfen wurden. Zu Tours erschlug man zweihundert Hugenotten und warf ihre Leichen in die Loire. In Angers ließ der Herzog von Montpensier alle Hugenotten, deren er habhaft werden konnte, aufhängen, rädern oder enthaupten. In Gironde ließ Montluc, welcher nur auf die Beispiele aus dem Norden gewartet, um seiner Grausamkeit freien Lauf zu lassen, an einem Tag siebzig der Unseren in den Markthallen erhängen.
    Die Protestanten sahen diesen Massakern nicht tatenlos zu. Sie bemächtigten sich mit Waffengewalt der Städte Angers, Tours, Blois, Lyon, Orléans. Die Regentin, in ihrem Schloß zu Fontainebleau sitzend, sah den Thron ihres Sohnes Karl IX. zum Spielball zweier rivalisierender Lager werden, ohne indes Partei ergreifen zu können noch zu wollen.
    An der Spitze von tausend Reitern machten die Triumvirn ihrer Unentschlossenheit ein Ende: sie entführten die Regentin samt ihrem Sohn mit Gewalt. Katharina von Medici weinte vor Zorn, mußte sich jedoch fügen und als Gefangene der fanatischen Bevölkerung und nominelles Haupt des katholischen Lagers im Louvre Wohnung nehmen.
    Am 13ten Juli anno 1562 erklärte das Pariser Parlament die Protestanten für vogelfrei. Von nun an konnte jedermann im ganzen Königreich, ob Stadtbürger oder Bewohner des flachen Landes, sich bewaffnen und über die Reformierten herfallen, ohne sich der geringsten Strafe oder Verfolgung durch die Gerichte auszusetzen.
     
    Die Herren Brüder waren in höchstem Maße bestürzt darüber, daß der einen Hälfte des Königreiches die Erlaubnis gegeben wurde, die andere Hälfte zu morden und zu metzeln. Sie befürchteten das Schlimmste, insonderheit als Montluc sich der Burg von François de Caumont, des ältesten der vier Brüder, bemächtigte und dort Monsieur de Burie mit einer Besatzung einquartierte.
    In der Folge begab sich Montluc nach Clairac, wo er aber Geoffroy de Caumont, den er mit Freuden gedemütigt hätte,nicht antraf. Da erwog er, die abtrünnigen Mönche zu hängen, doch es siegte seine Habgier, und er ließ sie für dreißigtausend Dukaten Lösegeld ungeschoren. Alsdann begab er sich ins Périgord, wo er eine alte Rechnung mit dem Baron von Biron zu begleichen gedachte, welcher aufrührerischen Hugenotten Unterschlupf gewährt hatte: er verwüstete die Felder des Barons. Montluc hatte jetzt dreitausend spanische Fußsoldaten unter seinem Befehl, und obgleich die Regentin ihn geheißen, er solle mit dieser Truppe die Streitmacht verstärken, welche der Guise in Paris zusammenzog, verweigerte er den Gehorsam unter dem Vorwand, die Guyenne »befrieden« zu müssen; denn zu Paris, unter dem Befehl des Guise, wäre er ein Nichts gewesen, in der Guyenne jedoch war er unumschränkter Herrscher und konnte den beiden größten Vergnügen seines Lebens frönen: metzeln und seine Geldtruhen füllen.
    Sie waren um dreihunderttausend Dukaten schwerer geworden, als Montluc aus seinem Amte als Generalleutnant der Guyenne ausschied. Und was die Gemetzelten anbelangt, die er hinterließ, so entschuldigte er sich in seinen »Kommenta ren « mit zynischer Abgefeimtheit dafür: »Die Notwendigkeiten des Krieges«, schrieb er, »zwingen uns,
entgegen dem eigenen Willen
das Leben eines Menschen nicht höher zu achten als das eines Huhnes.«
    Unsere Hugenotten wußten sich in den mittäglichen Provinzen freilich durchaus zu behaupten, auch als sie vogelfrei waren. Doch

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