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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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Leuchtstoffröhren auf, Oasen des Lichts in der langen schwarzen Südstaatennacht, während der Bus nach Norden fuhr, aus Georgia wurde endlich Alabama, Sümpfe und Kiefernödnis wurden zu schwarzerdiger Prärie, und dann, kurz vor Sonnenaufgang, die ersten niedrigen Ausläufer der Appalachen, und Dancy starrte erstaunt auf das Land, das erst vor kurzem noch ähnlich flach gewesen war wie das Meer, vom Gewicht des Himmels erdrückt. Ein- oder zweimal sind ihr Polizeiautos aufgefallen, die ihnen folgten oder nur einfach nicht am Bus vorbeikamen auf der schmalen Landstraße, und ihr Herz raste, ihr wurde übel, weil sie es so weit geschafft, aber jemand nun trotzdem alles herausgefunden hatte und man sie zurück nach Waycross schleifen würde, oder Savannah, oder vielleicht ganz zurück bis Florida, wo man sie ins Gefängnis steckte oder noch Schlimmeres. Dancy duckte sich schnell, machte sich ganz klein auf ihrem Sitz, bis die Highway Police oder der Sheriff der Gegend an ihnen vorbeigefahren war, und dann gab es wieder nur ein Morgen und das Gestern, vor dem man Angst haben musste.
    Kurz hinter Sylacauga setzte sich ein Mann neben sie, große gelbe Zähne lächelten ihr entgegen, Zähne, die zu leuchten schienen. Eine Sekunde überlegte sie, ob er vielleicht einer von ihnen war und ob sie vielleicht schlauer waren, als sie dachte, hinterhältiger, als sie sich vorzustellen wagte, und ob vielleicht einer von ihnen schon die ganze Zeit mit im Bus saß, seit Waycross, und nur auf die richtige Gelegenheit wartete, sie eine Weile in Sicherheit gewiegt hatte, bevor sie zuschlugen.
    «Tag auch, wohin des Wegs?», fragte der Mann mit den großen Zähnen.
    Erst gab sie keine Antwort, rede nicht mit Fremden, Dancy, die Stimme ihrer Mutter, die Stimme ihrer Großmutter, niemals mit Fremden reden, und der Mann grinste noch breiter, zeigte ungefähr noch tausend Zähne mehr. «Na, komm schon», sagte er. Eigentlich ein Wunder, dass man durch all diese Zähne überhaupt sprechen konnte, ein Wunder, dass in einem Mund überhaupt Platz war für solche Zähne. «Du kannst ruhig mit mir reden, ich beiße nicht.»
    «Was geht’s Sie an, wo ich hin will?», fragte sie, und der Mann zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf, das Haar millimeterkurz und Ohren zu groß für seinen Schädel.
    «Gar nichts», sagte er und zuckte die Schultern. «Ich wollte nur eine höfliche Unterhaltung anfangen, mehr nicht. Dachte, du hast vielleicht noch eine lange Fahrt vor dir und es wäre möglicherweise angenehm, mit jemandem zu reden.»
    «Memphis», log sie. «Ich besuche meinen Onkel Stewart in Memphis. Mein Onkel Stewart verkauft Elvis-T-Shirts in Graceland.» Das brach alles so schnell aus ihr heraus, eine wie aus der Pistole geschossene Lüge, bevor sie noch darüber nachdenken konnte, ob es auch glaubwürdig klang.
    «Tatsächlich?», antwortete der Mann, überrascht oder misstrauisch, das vermochte Dancy nicht zu sagen. «Graceland, na, das ist wirklich mal ein Reiseziel, was?»
    «Ja, allerdings.» Sie sah wieder zum Fenster. Jetzt wäre ein Polizeiwagen vielleicht gar nicht übel gewesen, vielleicht hätte ein Polizeiwagen den Mann mit den gelben Zähnen in die Flucht geschlagen.
    «Die Heimat des Blues», sagte der Mann. «Memphis, meine ich. W. C. Handy und Beale Street. Und du, Dancy? Hörst du Blues?»
    Ihr Herz überschlug sich, setzte aus, weil sie genau wusste, dass sie ihm ihren Namen nicht gesagt hatte, genau wusste, dass er sie nicht einmal danach gefragt hatte, wieso hätte sie ihn also nennen sollen. Sie schaute weiter aus dem Fenster, ihr Spiegelbild mit der Nacht überblendet, ein Geist ihrer selbst, gefangen in der Scheibe, gefangen zwischen ihm und der Nacht draußen.
    «Nein», sagte sie flüsternd, ob nun Antwort oder Bitte.
    «Dann fang besser damit an, falls du in Memphis bleiben willst. Die nehmen diesen Kram da ziemlich ernst.»
    Und dann fuhr der Bus um eine Kurve, Bremsenquietschen und Zischen hinter einem Schnellrestaurant und einem Rasthaus. Auf dem grünen Straßenschild stand CHILDERSBURGH.
    «Hier muss ich raus», sagte der Mann, beugte sich im Sitz vor und spuckte Priem auf den Boden. «Pass auf dich auf, oben in Memphis. Verdammt große Stadt für ein kleines Mädchen wie dich.»
    Der Bus hielt wieder an, zwischen blendenden Haltestellenlaternen, und Dancy wandte den Blick vom Fenster ab, ein automatisches Wegzucken, das Licht wie Nadeln in ihren Augen, da war der Mann bereits verschwunden. Nur ein

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