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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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ihre Geheimnisse, ihre Probleme, und keiner von beiden wird noch davon belastet. So sitzt Chance vor Schrank 25 auf dem Stuhl, lauscht dem Geräusch des Ventilators am anderen Ende des Raums und starrt blicklos auf die Fossilien, die in dem Stück Erz eingeschlossen sind.
    Was ist mit Dancy und Elise? Und Deacon? Wieder lauter Fragen, von denen Chance vermutet, dass auch die besser unbeantwortet bleiben. Zu viele unwahrscheinliche oder einfach unmögliche Verbindungen, ein Knotenpunkt aus Verlust und Schmerz und Wahnsinn. Aber sonst keine klaren Fakten, nichts, was Chance sehen und anfassen könnte. Sie dreht den Stein um. Auf seiner Rückseite befindet sich das sternförmige Fossil, kaum größer als eine mittlere Münze und mit einem kleineren Polygon in der Mitte des stellaren Abdrucks. Sie hatte schon’ gar nicht mehr daran gedacht. Ich darf nicht vergessen, dich Alice vorzuführen, denkt sie. Bestimmt ist es nur irgendein Stachelhäuter, den sie noch nie gesehen hat, ein schlecht erhaltener Crinoid oder möglicherweise auch etwas noch Selteneres. Würde das diesen Steinbrocken nicht zu einer Kuriosität machen?
    Das Sonnenlicht, das durch die Fenster fällt, wird schwächer, wird zur Dämmerung, und endlich rückt das gnädige Ende dieses langen, merkwürdigen Tages näher. Chance kneift die Augen zusammen, um jede Einzelheit des Fossils zu erkennen. Das Polygon hat sieben Seiten, nicht ungewöhnlich bei den Platten irgendeines Pelmatozoen, also ist es wahrscheinlich doch nur ein Crinoid. Sie dreht den Stein etwas, und das Fossil glitzert unter dem starken Licht der Leuchtstoffröhren an der Decke, das Heptagon hat einen fast öligen Glanz.
    Unangenehmes Licht, denkt Chance. Unreines, unfassbares Licht, und dann schimpft sie gedanklich mit sich, weil sie sich von all diesen Merkwürdigkeiten beeindrucken lässt, sich bange machen lässt, genauso wie bei Kindern, die sich Gespenstergeschichten erzählen. Doch dann scheint der Stein ihr wieder zuzublinzeln, ein kurzes Aufflackern schmierigen Lichts, und ihr fällt etwas auf, nämlich, wie schwer es ist, den siebenstrahligen Abdruck lange anzusehen, dass er ihren Blick nach ein paar Sekunden abzulenken scheint.
    Sie trägt den Stein zurück an den Tisch mit dem Mikroskop. Irgendwo hier in dem Durcheinander liegt ein lackiertes Holzkistchen herum, das einen elektronischen Tastzirkel beherbergt. Genau das, was sie gerade braucht, die vollkommen weltliche Sicherheit einer Vermessung, um einen klaren Kopf zu bekommen. Sie legt den Stein auf den Tisch und sucht unter Computerausdrucken, herausgerissenen Seiten mit Aufzeichnungen und unter Alice’ Schale mit dem Schieferbruch. Den Zirkel findet sie nicht, dafür aber einen Winkelmesser, schwarze Linien und Nummern, die auf durchsichtigen grünen Kunststoff gedruckt sind. Das ist eigentlich noch viel besser. Man kann damit die vertikalen und horizontalen Achsen vermessen, um die genauen Winkelmaße des Siebenecks zu bestimmen, eine ausgesprochen simple und alltägliche Aufgabe, die Chance rasch ins Hier und Jetzt zurückholen wird.
    Sie greift gerade wieder nach dem Stein, als sie draußen etwas hört und innehält. Sind das Schritte auf dem kiesbestreuten Rand des Parkplatzes? Wahrscheinlich Alice, deren Besprechung zu Ende ist und die nun nachsehen will, ob Chance noch immer arbeitet, hofft, sie noch anzutreffen, damit sie miteinander reden können. Oder einfach nur jemand, der eine Abkürzung nimmt? Chance späht hinüber zur Tür des Labors, die weit offen steht, draußen verblutet der letzte Rest des Tages in Rot und Orange. Dann halten die Schritte an der Ecke des Labors an, und gleich darauf ist ein anderes Geräusch zu hören. Ein schnüffelnder Tierlaut, der Chance an Hunde und Schweine denken lässt. Sie bekommt Gänsehaut und spürt den plötzlichen Drang, die Tür zu schließen, hinzurennen und sie sofort zu schließen, aber sie zwingt sich, ruhig zu bleiben und die Ohren zu spitzen.
    Das Geschnüffel wird lauter, kommt genau von der Wand, zwischen ihr und dem Ding, das dieses Geräusch macht, liegen jetzt vielleicht zweieinhalb Meter und eine Steinmauer. Chance legt den Winkelmesser zurück auf den Tisch und behält die Tür im Auge.
    Es ist nur ein Hund, ein hungriger herrenloser Hund, der etwas zu fressen sucht, und sie versucht, sich die rippendürre Promenadenmischung genau vorzustellen, so ein scheuer Herumtreiber, der immer aussieht, als erwarte er einen Fußtritt, und der ängstlich zurückschreckt,

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