Fotostudio Plange I (German Edition)
und
wechselte permanent seine Handschuhe und seine Arbeitsgeräte.
Wie man mich hinterher aufklärte, verzichten gute Piercer
auf eine Betäubung. Erstens durften sie sie nicht setzen und zweitens wäre die
Spritze ebenso schmerzhaft wie das Piercing selber. Auch von Eissprays und
Nervensuchgeräten sollte man besser die Hände lassen. Alles Neuland für mich!
Igor zückte, nachdem uns wieder angezogen hatten, seine
Geldbörse, auch ich griff in meinen Beutel. Ich zahlte für Marvin und erstand
die schwule Variante des Schmucks, den er sich ausgesucht hatte. Mein Großer,
der immer noch tapfer gegen seine Tränen ankämpfte, schaute mich fragend an.
„Das ist dann dein Geschenk zu Nikolaus.“
Die Zeit bis zu meinem Geburtstag verging wie im Fluge.
Viel war nicht vorzubereiten, es war ja kein rundes Wiegenfest, dass würde erst
im nächsten Jahr folgen. Man konnte es also etwas kleiner halten: Norwegische
Fischsuppe, eine Käseplatte, Stangenbrot, etwas Knabberzeug und Berliner
sollten als Nahrung reichen. Aber trotz des leicht intimen Rahmens kam ich auf
fast 14 Personen, die mehr oder minder zugesagt hatten.
Die größte Schwierigkeit bestand in der Vorbereitung des
Eierlikörs, denn es mussten 40 Eier getrennt werden, Arbeit für jemanden, der
Vater und Mutter erschlagen hat. Auch wenn ich nur den einfachen Korn für
dieses selbst gemachte Produkt nehme, kommen pro Flasche zehn Eigelb, eine
Packung Puderzucker, ein Becher Sahne, drei Päckchen Vanillezucker, zwei
Pinnchen Rum und etwas Zimt in die Mischung. Den Eierlikör gab es als
Erinnerung an alte Studientage. Lars und Kai hatten zugesagt, auch Markus
Brauer und Olaf Krenzer, beides Rechtsanwälte in gemeinsamer Kanzlei, wollten
kommen. Mit Thomas Obermann, mittlerweile Regionalleiter einer Versicherung,
war die alte Clique fast komplett.
Manuel sagte ab. Der Grund, eine verschleppte Entzündung
im Handgelenk (oder deren Spätfolgen), war mehr als fadenscheinig, wahrscheinlicher
war, dass er nicht mit Igor zusammentreffen wollte. Verstehe einer diese
Tunten! Klaus und Ingo riefen zwei Tage vorher an, sie hätten plötzlich Besuch
gekommen und könnten deshalb nicht erscheinen. Wer es glaubt! Ich vermutete
eher, dass sie immer noch sauer auf mich waren, dass ich ihre Hochzeit letztes
Sylvester nicht fotografiert hatte. Aber was sollte ich damals machen? Erst
hieß es, sie feierten groß mit allem Drum und Dran, dann wieder im kleinen
Rahmen, nur Familie und engste Freunde. Zuerst sollte die Hochzeit Mitte
September stattfinden, aber dieser Termin wurde aufgrund, nennen wir es interne
Differenzen, abgesagt. Auch der Folgetermin, Ende Oktober, wurde gestrichen,
diesmal wegen eines Beinbruchs. Schließlich einigte man sich, nach langem Hin
und Her, auf Jahreswechsel, vergaß aber, mich darüber in Kenntnis zu setzen.
Als sie das dann doch noch zwei Wochen vor dem Ereignis taten, war es zu spät,
ich hatte bereits einen anderen, ziemlich lukrativen, Auftrag auf einer Gala
angenommen.
Marius Stauder, Leiter eines Supermarktes, würde mit
seinem Oliver Tramm, Oberkommissar seines Zeichens, später kommen. Der blonde
Verkaufsleiter musste bis acht, der schwarzhaarige Ordnungshüter durfte bis
neun Uhr arbeiten. Carsten Baumann, mein Versicherungsmakler und Klaas Günther,
Lokalredakteur unseres heimischen Käseblättchens, komplettierten die
Gästeliste.
Letzterer rief mich am Freitagabend an und fragte, ob er
seinen Praktikanten, dessen Beaufsichtigung ihm von seinem Chef aufs Auge
gedrückt worden war, mitbringen könne. Eigentlich hatte ich ja nichts dagegen,
aber alle Anwesenden waren verzaubert. Ich wollte nicht, dass es zu
irgendwelchen Komplikationen kommt.
„Keine Angst, Stefan, Frederick ist so was von schwul,
der könnte es glatt erfunden haben!“
„Und da hat man gerade dich zur Anstandsdame bestimmt? Da
hat man doch den Bock zum Gärtner gemacht!“ Ich lachte.
„Haha, selten so gelacht! Mein kinderloser Herausgeber
ist der Patenonkel dieses Knaben, aber für ein verlängertes Wochenende nebst
Gattin in Berlin. Da der Kleine wahrscheinlich eines Tages den Verlag erben
wird, …“
„… willst du dich gut mit ihm stellen!“
„Das auch! Aber ich will eher meine Nerven schonen.
Gestern Abend durfte ich den lieben Herrn von Dunkel von der Polizeiwache
abholen!“ Er klang fertig.
„Bitte? Was musstest du?“
„Ihn von der Wache abholen. Er ist auf der Klappe an der
Marktkirche
Weitere Kostenlose Bücher