Foules Spiel: Ein Nürnberger Fußballkrimi (German Edition)
deshalb zu Fuß durch die Karolinenstraße zum Jakobsplatz. Die Stadt füllte sich allmählich mit Leben, bei einigen Geschäften wurden Rollläden hochgezogen, in anderen wurde geputzt oder Regale aufgefüllt. Als er am Ehekarussell vorbeikam, musste Wallner an seine Ehe denken. Ob es noch eine Chance gab? Dass er auch an Charlotte Braun denken musste, konnte er überhaupt nicht nachvollziehen.
Sie hielten eine kurze Besprechung ab, bei der den anderen Teammitgliedern, die nicht am Tatort gewesen waren, noch einmal die Details mitgeteilt wurden: Werner Klebisch, Inhaber eines Reisebüros in Essen, im zweiten Beruf Schiedsrichter in der 1. Bundesliga, war zu Tode gekommen. Vermutliche Todesursache: Erdrosseln. Außer der Polizei und dem Club-Präsidium wusste noch keiner Bescheid, zumindest nicht offiziell. Cramer verteilte die Aufgaben:
»Marius, versuche, die anderen Schiedsrichter ausfindig zu machen. Womöglich wissen sie etwas über Klebisch. Wo er gestern Abend war etc. pp.«
Marius machte sich eine Notiz. Ein paar Kollegen wurden zur Befragung der umliegenden Anwohner geschickt. Vielleicht hatte ja einer etwas gehört oder gar gesehen.
»Nächstes Treffen heute Nachmittag um zwei«, sagte Leo, stand auf und verließ den Besprechungsraum, gefolgt von seinen Leuten.
Auf dem Weg ins Büro sagte Leo zu Wallner: »Kannst du mal diese Expolizistin anrufen, du weißt schon, die aus München? Ich hab das Gefühl, sie weiß mehr, als sie uns sagen will. Horch sie mal aus.« Er grinste anzüglich. »Lad sie meinetwegen zum Essen ein. Du bist doch wieder zu haben, oder?«
Wallner biss sich auf die Zunge, um nichts zu erwidern. Er nickte nur und schloss die Tür zu seinem Büro. Im Gegensatz zu Cramer war er überzeugt, dass Frau Braun ihnen nichts verschwieg. Aber er hatte sowieso vorgehabt, sie anzurufen.
Er zögerte das Telefonat mit Charlotte Braun hinaus. Überrascht stellte er fest, dass er Angst davor hatte. Das war natürlich vollkommen lächerlich, dennoch schob er den Anruf vor sich her. Sollte Leo nachfragen, könnte er immer noch sagen, er habe die Frau nicht erreicht.
Am späten Nachmittag war er gerade mit dem vorläufigen Obduktionsbericht beschäftigt, den Dr. Fischer gefaxt hatte, als das Telefon klingelte. So, wie es aussah, war der Schiedsrichter nicht am oder im Brunnen getötet worden. Der Pathologe hatte Grashalme gefunden, die denen eines Fußballrasens entsprachen. Na, das konnte ja heiter werden! Da hatte der Club neben dem Abstiegskampf auch noch einen satten Skandal am Hals.
Gedankenverloren meldete Wallner sich.
»Hier ist Charlotte Braun«, sagte eine weibliche Stimme.
Wallners Herz begann zu rasen. Was war nur mit ihm los? Hatte er Entzugserscheinungen, dass er beim Klang einer Frauenstimme Herzklopfen bekam wie ein Teenager?
»Hallo«, sagte er und musste sich räuspern.
»Störe ich?«, fragte sie.
»Ähm, nein, nein, überhaupt nicht.«
Sie lachte. »Das sage ich immer, wenn ich gerade mitten in einer wichtigen Ermittlung stecke.« Sie machte eine kurze Pause, sagte dann: »Ich meine, das sagte ich immer.«
Sie schwiegen so lange, bis es Wallner unangenehm wurde. »Haben Sie neue Informationen für uns?«, fragte er.
»Nein, leider nicht«, kam die Antwort. »Im Gegenteil: Ich wollte wissen, ob es etwas Neues gibt.«
Ob sie schon von dem toten Schiedsrichter wusste? Leos Vorschlag fiel ihm ein. Er brauchte eine Pause; er saß seit heute Morgen hier, hatte zu Mittag kaum etwas gegessen.
»Ja und nein«, erwiderte er. »Haben Sie Lust auf einen Kaffee? Ich muss hier mal raus.«
Braun lachte. »Ja, etwas Abwechslung würde mir auch nicht schaden. Ich habe heute den ganzen Tag tapeziert.«
»Respekt«, sagte Wallner. »Falls ich mal Bedarf habe, melde ich mich bei Ihnen. – Kennen Sie das Café am Trödelmarkt? Es hat die besten Kuchen der Stadt und eine schöne Aussicht auf den Henkersteg.«
Als sie verneinte, gab er ihre eine Wegbeschreibung. Sie verabredeten sich für eine halbe Stunde später.
Wallner war zehn Minuten früher da, er wollte sichergehen, dass sie einen ruhigen Tisch bekamen. Sagte er sich zumindest. Aber insgeheim musste er sich eingestehen, dass er nervös war. Er fragte sich warum. Klar, seine Ehe hatte sich in den letzten Jahren tot gelaufen, aber er glaubte fest an eine neue Chance mit Dorothea. Außerdem hatte er zwei Mordfälle auf dem Tisch. Da konnte er keine Liebelei gebrauchen.
Sei nicht kindisch , ermahnte er sich. Es ist doch nichts
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