Foundation 01: Meine Freunde, die Roboter
wichtige Frage
handelte, ob Europa katholisch oder protestantisch sein solle. Halb
und halb – nein, das war unmöglich. Es war
›unausweichlich‹, daß diese Frage mit dem Schwert
entschieden werden müsse. Nur daß dies nicht gelingen
konnte. In England begann ein neuer Industrialismus zuwachsen, auf
dem Kontinent ein neuer Nationalismus. Und heute noch ist Europa halb
katholisch und halb protestantisch, und niemand kümmert sich
darum.
Im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert folgte dann der Zyklus
nationalistisch-imperialistischer Kriege, wobei es als wichtigstes
Problem in der Welt galt, welche Teile Europas die wirtschaftlichen
Quellen und Märkte dieser oder jener nichteuropäischen
Teile der Welt kontrollieren sollten. Offenbar vermochten alle diese
außereuropäischen Gebiete unter teils englischer, teils
französischer, teils deutscher Herrschaft und so fort auf die
Dauer nicht zu existieren. Bis sich die nationalistischen Kräfte
Europas so sehr verzettelt hatten, daß die
außereuropäischen Teile der Erde das zum Ende
führten, was alle Kriege nicht hatten beenden können. Es
stellte sich nämlich eines Tages heraus, daß man ganz
bequem völlig ohne Europa existieren konnte.
Und so geht das alles nach einem bestimmten Schema…«
»Stimmt, Stephen, Sie haben das ganz klar dargestellt«,
sagte Susan. »Nur sind dies freilich keine sehr
tiefschürfenden Beobachtungen.«
»Nein. Aber ist es nicht gerade das Offensichtliche, das man
manchmal am schwersten zu erkennen vermag? Die Leute sagen, das und
das ist so deutlich wie die Nase in deinem Gesicht. Aber wieviel von
Ihrer Nase können Sie sehen, wenn Ihnen nicht einer einen
Spiegel vorhält? Im zwanzigsten Jahrhundert begannen wir einen
neuen Kriegszyklus. Wie soll ich ihn nennen, Susan? Ideologische
Kriege… in denen religiöse Gefühle in
ökonomischen Systemen Anwendung finden, anstatt in ethischen.
Wiederum hießen alle diese Kriege ›unvermeidbar‹.
Dieses Mal verwendete man Atomwaffen. Die Menschheit konnte aber
diese Qual nicht überstehen, ebensowenig wie sie fähig war,
sie zu vermeiden. Und so kamen dann schließlich die
positronischen Robots.
Sie kamen im richtigen Moment, und mit ihnen und neben ihnen kam
interplanetarisches Reisen… so daß es nicht mehr so
wichtig war, ob die Welt an Adam Smith glaubte oder an Karl Marx.
Unter den neuen Umständen hatten die Lehren von keinem der
beiden noch viel Sinn. Beide mußten sich angleichen und
gelangten schließlich fast zum gleichen Punkte.«
»Dann war dies also ein Deus ex Machina in einem doppelten
Sinn«, sagte Dr. Calvin trocken.
Der Koordinator lächelte sanft. »Ich habe Sie nie zuvor
Witze machen hören, Susan – aber was Sie sagen, stimmt.
Dennoch bestand eine neue Gefahr. Die Lösung jedes früheren
Problems hatte lediglich ein neues zur Welt gebracht. Unsere neue
weltweite Robotökonomie mag vielleicht ebenfalls ihre eigenen
Probleme entwickeln, und aus diesem Grunde haben wir die
Denkmaschinen eingeführt. Die Wirtschaft der Erde ist stabil und
wird stabil bleiben, da sie auf den Entscheidungen der Denkmaschinen
aufgebaut ist, denen nichts anderes am Herzen liegt als das Wohl der
Menschheit. Sie werden völlig beherrscht vom Ersten Gesetz der
Robotik.«
Stephen Byerley fuhr dann fort: »Obgleich nun die
Denkmaschinen nichts anderes sind als das ausgedehnteste Konglomerat
von Kalkulationsbahnen, das jemals zusammengestellt wurde, so sind
sie doch Robots und unterstehen daher dem Ersten Gesetz, und deshalb
ist auch unsere Erdökonomie in Übereinstimmung mit dem
wohlverstandenen Interesse aller Menschen. Die Erdbevölkerung
weiß, daß es weder Arbeitslosigkeit geben wird noch
Überproduktion, noch Mangel an irgendwelchen Produkten.
Vergeudung und Hungersnot sind veraltete Worte aus
Geschichtsbüchern. Auch die Frage des Eigentums wird damit
hinfällig. Wer immer auch die Produktionsstätten
besäße (wenn ein derartiger Satz überhaupt noch einen
Sinn hat), ein Mann, eine Gruppe, eine Nation oder die ganze Welt,
sie könnten lediglich so benutzt werden, wie die Denkmaschinen
sie lenken… und dies nicht etwa unter Druck oder Terror, sondern
weil es so das gescheiteste ist und weil die Menschen das erkannt
haben und sich daran halten.
Diese Einrichtung hat Kriegen ein Ende gemacht – nicht nur
dem letzten Zyklus von Kriegen, sondern allen Kriegen überhaupt.
Vorausgesetzt, daß…«
Eine lange Pause folgte. Schließlich wiederholte Dr. Calvin
seine letzten Worte:
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