Foundation 01: Meine Freunde, die Roboter
Zeile.«
»Sieh mal an«, sagte Foster abwesend.
Foster arbeitete abends in Potterleys Haus. Seine eigenen
Räume auf dem Universitätsgelände waren ihm nicht
sicher genug. Bald wurde ihm seine abendliche Arbeit wichtiger als
die Abfassung seines Gesuchs um Bewilligung einer
Forschungsbeihilfe.
Zuerst machte er sich darüber noch Sorgen, aber dann
hörte auch das auf.
Seine Arbeit bestand anfänglich darin, die Mikrofilme zu
studieren. Später bestand sie im Nachdenken und in
Berechnungen.
Gelegentlich kam Potterley, um ihm Gesellschaft zu leisten, aber
er mischte sich nur auf zweierlei Weise in Fosters Arbeit ein. Er
untersagte ihm das Rauchen, und manchmal sprach er.
Es war keine Konversation, vielmehr hielt er leise Monologe, auf
die er kaum Antwort erwartete. Es war, als versuchte er einem inneren
Überdruck Luft zu machen. Und immer ging es um Karthago.
Karthago, das New York der Antike. Karthago, Handelsimperium und
Königin der Meere. Karthago, beneidet von seinen Feinden und
ungeschickt in seiner eigenen Verteidigung.
Es war einmal von Rom besiegt und aus Sardinien und Sizilien
vertrieben worden, erwarb sich aber neue Besitzungen in Spanien und
brachte einen Mann namens Hannibal hervor, der den Römern
sechzehn Jahre des Schreckens bereitete.
Am Ende verlor es ein zweitesmal, ergab sich in sein Schicksal und
baute sich mit zerbrochenen Werkzeugen in einem geschrumpften
Territorium eine neue Existenz auf. Der Aufbau gelang ihm so gut,
daß das eifersüchtige Rom einen dritten Krieg vom Zaun
brach. Und Karthago verteidigte sich mit verzweifelter Wildheit zwei
Jahre lang gegen die Belagerer, und im Endkampf warfen sich die
Bewohner in die Flammen ihrer brennenden Häuser, um sich nicht
dem Feind ergeben zu müssen.
»Hätten die Bewohner so für eine Stadt und ihre
Lebensart gekämpft, wenn alles so schlecht gewesen wäre,
wie die alten Schriftsteller behaupten? Hannibal war ein besserer
Heerführer als irgendein Römer, und seine Soldaten waren
ihm absolut ergeben. Selbst seine bittersten Feinde priesen ihn.
Viele sagten, er wäre ein außergewöhnlicher Karthager
gewesen, besser als die anderen, ein Diamant in einem
Müllhaufen. Aber warum war er seiner Vaterstadt dann bis zu
seinem Tode nach Jahren des Exils treu? Die Zeitgenossen erregten
sich über das Götzenbild des Moloch und die Kinderopfer,
die ihm gebracht wurden…«
Foster hörte ihm nicht immer zu, aber manchmal konnte er sich
den Geschichten nicht entziehen und erschauerte bei der Schilderung
dieser Menschenopfer, bei denen Kinder lebendig in die Flammen
geworfen wurden.
Aber Potterley ließ sich durch solch grausige Details nicht
in seiner Apologie beirren. »Trotz allem, es ist nicht wahr. Es
ist eine Propagandalüge, die von den Griechen und Römern
erfunden wurde und zweitausendfünfhundert Jahre überdauert
hat. Diese Völker hatten auch ihre Sklaven, ihre Foltern und
Kreuzigungen, ihre blutigen Gladiatorenkämpfe. Sie waren keine
Heiligen. Die Geschichte vom Moloch war Kriegspropaganda, eine
große Lüge. Ich kann dies alles beweisen, und, bei Gott,
ich werde es tun – ich werde es tun…«
Auch Mrs. Potterley besuchte ihn, gewöhnlich dienstags und
donnerstags, wenn Dr. Potterley Abendkurse abhielt und nicht im Hause
war.
Meistens saß sie schweigsam in einer Ecke, mit leeren Augen
und schlaffem, teigigem Gesicht. Ihre ganze Haltung blieb in sich
gekehrt. Nur selten sagte sie ein paar Worte.
Beim erstenmal versuchte Foster, dem ihre Anwesenheit unbehaglich
war, sie zum Gehen zu bewegen.
»Störe ich Sie?« fragte sie mit tonloser
Stimme.
»Nein, natürlich nicht«, log Foster. »Es ist
nur, daß – daß…« Er konnte den Satz nicht
vollenden.
Sie nickte, als nähme sie eine Einladung zum Bleiben an. Dann
öffnete sie einen Handarbeitsbeutel, den sie mitgebracht hatte,
und begann zu stricken.
Eines Abends überraschte sie ihn mit der Bemerkung:
»Meine Tochter Laurel ist etwa in Ihrem Alter.«
Foster erschrak, sowohl über die Worte als auch über den
unerwarteten Klang ihrer Stimme. Er wußte von Potterley,
daß Laurel als Kind bei einem Feuer umgekommen war, aber er
sagte höflich: »Ich wußte nicht, daß Sie eine
Tochter haben, Mrs. Potterley.«
»Sie ist vor Jahren gestorben.«
Foster murmelte sinnlos: »Oh, das tut mir leid.«
Mrs. Potterley seufzte. »Ich träume oft von ihr.«
Sie schlug ihre wäßrigen Augen zu ihm auf. Foster wich dem
Blick aus.
An einem anderen Abend fragte sie unvermittelt:
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