Foundation 01: Meine Freunde, die Roboter
»Ab
sofort. Jetzt, sagt Multivac! Das Experiment ist jetzt beendet! Eine
neue Technik der psychologischen Beobachtung muß entwickelt
werden.«
Sie starrten einander an. Die Minuten vergingen.
Endlich sagte Meyerhof langsam:
»Multivac hat recht.«
Whistler wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich
weiß.«
Sogar Trask flüsterte beklommen: »Ja. So muß es
sein.«
Meyerhof war es, der den Beweis führte, Meyerhof, der
vollendete Witzbold, das wandelnde Witzarchiv. »Es ist vorbei,
verstehen Sie, endgültig vorbei. Ich versuche es jetzt seit
fünf Minuten, und mir will kein Witz einfallen, kein einziger!
Und wenn ich in einem Buch einen lesen würde, könnte ich
nicht lachen. Ich weiß es.«
»Die Gabe des Humors ist uns genommen«, sagte Trask
düster. »Kein Mensch wird jemals wieder lachen.«
Und sie standen da und fühlten, wie die Erde zu den
Dimensionen eines Experimentierkäfigs für Ratten
zusammenschrumpfte. Eines Käfigs, aus dem das Lauflabyrinth
herausgenommen worden war, um etwas anderem, Unbekanntem Platz zu
machen.
Der Märchenerzähler
Niccolo Mazzetti lag bäuchlings auf dem Teppich, das Kinn in
seine Hände gestützt, und lauschte gerührt der Stimme
des Märchenerzählers. In seinen dunklen Augen glänzten
sogar Tränen – ein Luxus, den sich ein Elfjähriger nur
erlauben konnte, wenn er allein war.
Der Märchenerzähler sagte: »Inmitten eines tiefen,
dunklen Waldes lebte einmal ein armer Holzfäller mit seinen
beiden mutterlosen Töchtern. Beide waren so schön, wie der
Tag lang ist. Die ältere Tochter hatte langes Haar, so schwarz
wie die Flügelfedern eines Raben, aber das Haar der
jüngeren Tochter war hell und golden wie das Sonnenlicht an
einem Herbsttag.
Jeden Tag, wenn die Mädchen warteten, daß ihr Vater von
seiner Arbeit im Wald heimkehrte, saß die ältere Tochter
vor ihrem Spiegel und sang…«
Was sie sang, konnte Niccolo nicht mehr hören, denn von
draußen klang ein lauter Ruf herein: »He,
Nickie!«
Und Niccolo, dessen Gesicht sich sofort aufhellte, rannte ans
Fenster und schrie: »He, Paul!«
Paul Loeb winkte ihm aufgeregt. Er war magerer als Niccolo und
nicht ganz so groß, obwohl er sechs Monate älter war. Sein
Gesicht war voll von mühsam unterdrückter Erregung, die
sich am deutlichsten im nervösen Flattern seiner Augenlider
ausdrückte. »He, Nickie, laß mich rein. Ich habe eine
Idee.«
Er blickte hastig umher, als rechnete er mit der Anwesenheit von
Lauschern, aber der Vorgarten war leer.
»Augenblick. Ich mach dir auf.«
Der Märchenerzähler spann seinen Faden weiter,
ungeachtet der Tatsache, daß ihm sein Zuhörer
verlorengegangen war. Als Paul das Zimmer betrat, sagte der
Märchenerzähler gerade:
»… darauf knurrte der Löwe: ›Wenn du mir das
Ei des Vogels bringst, der alle zehn Jahre einmal über den
Ebenholzberg fliegt, werde ich…‹«
Paul sagte: »Ist das ein Märchenerzähler, dem du da
zuhörst? Ich wußte gar nicht, daß du einen
hast.«
Niccolo errötete. »Nur ein altes Ding, das ich als
kleiner Junge hatte«, entschuldigte er sich. »Es taugt
nicht viel, ich weiß.« Damit der andere ihm auch glaubte,
versetzte er dem Märchenerzähler einen Fußtritt. Das
zerkratzte und schon etwas verblichene Plastikgehäuse bekam
einen feinen Sprung.
Der Märchenerzähler reagierte mit einem Schluckauf, dann
fuhr er fort: »… ein ganzes Jahr und einen Tag lang, bis
die eisernen Schuhe abgetragen waren. Dann blieb die Prinzessin am
Straßenrand stehen…«
»Mensch, das ist aber ein altes Modell«, sagte Paul mit
einem kritischen Blick.
Niccolo zuckte bei der verächtlichen Bemerkung des anderen
zusammen. Für einen Moment bedauerte er, Paul hereingelassen zu
haben. Wenigstens hätte er den Märchenerzähler vorher
noch schnell in den Keller zurücktragen sollen, wo er seinen
Ruheplatz hatte. Schließlich hatte er ihn nur aus Verzweiflung
über den traurigen Tag und über eine fruchtlose Diskussion
mit seinem Vater wieder zum Leben erweckt.
In Pauls Gegenwart fühlte sich Niccolo ohnehin unterlegen,
denn Paul war ein begabter Junge und nahm in der Schule an
Sonderkursen teil, und alle sagten, daß er es eines Tages zum
Elektroingenieur bringen würde.
Nicht daß Niccolo ein schlechter Schüler gewesen
wäre. Er brachte es in Logistik, Elektrotechnik und Physik,
welches die Hauptfächer der Grundschulausbildung waren, auf
befriedigende Noten, und eines Tages würde er wie jeder andere
vor irgendeiner Schalttafel sitzen
Weitere Kostenlose Bücher