Foundation 02: Die Stahlhöhlen
versuchte das, was er sah, zu begreifen, denn er sah nur Licht, aber keinerlei körperlichen Gegenstände.
Die Lichtkleckse saßen auf Podesten, die sie umgaben. Sie waren wie lebende Geometrie: Linien und Kurven aus Farbe, die sich in ein Ganzes verschlangen und doch ihre eigene Identität behielten. Und jedes dieser Lichtgebilde unterschied sich von allen anderen.
Baley suchte nach den passenden Worten und sagte: »Soll das etwas darstellen?«
Gladia lachte mit ihrer angenehmen Altstimme. »Das bedeutet das, was Sie hineindenken. Es sind nur Lichtgebilde, die Sie vielleicht zornig oder glücklich oder neugierig machen, oder was auch immer eben ich empfunden habe, als ich das jeweilige Stück entworfen habe. Ich könnte eines für Sie machen, eine Art Porträt. Aber wahrscheinlich wäre es nicht besonders gut, weil ich ja nur improvisieren würde.«
»Würden Sie das tun? Das würde mich interessieren.«
»Also gut«, sagte sie und ging mit schnellen Schritten auf eine Lichtgestalt in einer Ecke des Raumes zu, wobei sie ganz dicht an ihm vorüberging. Aber sie schien es nicht zu bemerken.
Sie berührte etwas an dem Sockel des Lichtgebildes, und der Lichtschein darüber erlosch, als hätte es ihn nie gegeben.
Baley hielt den Atem an und sagte: »Tun Sie das nicht!«
»Das ist schon in Ordnung. Ich mochte es ohnehin nicht mehr. Jetzt will ich all die anderen nur etwas dunkler machen, damit sie mich nicht ablenken.« Sie klappte an einer der sonst leeren Wände etwas auf und betätigte einen Schalter. Die Farben verblaßten so, daß man sie kaum noch wahrnehmen konnte.
»Macht das nicht ein Roboter?« fragte Baley. »Ich meine, Schalter drehen.«
»Pst!« sagte sie ungeduldig. »Ich lasse hier keine Roboter rein. Das gehört nur mir.« Sie sah ihn an und runzelte die Stirn. »Ich kenne Sie nur noch nicht gut genug. Das ist das Problem.«
Sie sah den Sockel nicht an, aber ihre Finger ruhten locker auf seiner glatten Oberfläche. Alle zehn Finger waren leicht gekrümmt, angespannt, warteten.
Jetzt bewegte sich ein Finger und beschrieb einen kleinen Bogen, und ein tiefgelbes Leuchten wuchs an wie ein Strich und stand plötzlich schräg in der Luft. Der Finger bewegte sich ein Stückchen zurück, und das Licht verlor etwas an Intensität.
Sie sah es prüfend an. »So ist es wohl richtig. Eine Art Stärke ohne Gewicht.«
»Jehoshaphat!« sagte Baley.
»Sind Sie jetzt beleidigt?« Ihre Finger hoben sich, und der gelbe Lichtbalken blieb in der Luft hängen.
»Nein, ganz und gar nicht. Aber was ist das? Wie machen Sie das?«
»Das ist schwer zu erklären«, sagte Gladia und sah den Sockel nachdenklich an. »Ich verstehe das nämlich genaugenommen selbst nicht richtig. Man hat mir gesagt, es sei eine Art optischer Illusion. Es werden Kraftfelder auf verschiedenen Energieniveaus errichtet. In Wirklichkeit sind das Auswüchse des Hyperraums mit völlig anderen Eigenschaften als der normale Raum. Je nach dem Energieniveau sieht das menschliche Auge Licht in verschiedenen Farben und Schattierungen. Die Schattierungen und Farben werden von der Wärme meiner Finger an entsprechenden Punkten des Sockels gesteuert. Und in den Sockeln sind alle möglichen Kontrollen.«
»Sie meinen, wenn ich den Finger da hinlegte…« Baley trat vor, und Gladia machte ihm Platz. Er legte etwas zögernd den Zeigefinger auf den Sockel und spürte ein schwaches Pulsieren.
»Nur zu! Bewegen Sie den Finger ruhig, Elijah«, sagte Gladia.
Das tat Baley, und ein schmutziggrauer Lichtfleck entstand, berührte den gelben Balken und durchdrang ihn. Baley zog den Finger sofort zurück, und Gladia lachte, wurde aber dann gleich wieder ernst.
»Ich hätte nicht lachen sollen«, sagte sie. »Das ist wirklich sehr schwierig, selbst für Leute, die es schon oft versucht haben.« Ihre Hand bewegte sich ganz locker und viel zu schnell, als daß Baley der Bewegung hätte folgen können. Und die Monstrosität, die er erzeugt hatte, verschwand und ließ den gelben Lichtbalken wieder unbehindert erstrahlen.
»Wie haben Sie das gelernt?« fragte Baley.
»Ich habe es einfach immer wieder versucht. Wissen Sie, das ist eine neue Kunstform, und nur ein oder zwei Leute wissen wirklich, wie man…«
»Und Sie sind die Beste«, sagte Baley ernst. »Auf Solaria ist jeder entweder der einzige oder der Beste oder beides.«
»Sie brauchen nicht zu lachen. Einige meiner Arbeiten sind ausgestellt. Ich habe schon Ausstellungen veranstaltet.« Sie hob das Kinn. Ihr
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