Foundation 02: Die Stahlhöhlen
in den Sinn, daß er einen wesentlichen Bestandteil von Jessies Leben völlig zerschmettert hatte. Ihr Name hatte für sie etwas Geheimnisvoll-Verruchtes an sich gehabt. Das war ein köstliches Gegengewicht für ihre brave, überaus respektable Vergangenheit. Der Name verlieh ihr eine Aura der Verworfenheit, und das hatte sie stets genossen.
Das war nun vorbei. Sie erwähnte ihren vollen Namen nie wieder; nicht Lije gegenüber, nicht ihren Freunden gegenüber und vielleicht – was wußte Baley schon – nicht einmal sich selbst gegenüber. Sie war einfach Jessie und gewöhnte sich daran, auch so zu unterschreiben.
Nach ein paar Tagen begann sie wieder mit ihm zu reden. Und nach etwa einer Woche war ihre Beziehung wieder wie früher. Aber bei allen künftigen Streitigkeiten erreichte keiner jemals wieder dieses Maß an Intensität.
Nur ein einziges Mal gab es einen indirekten Hinweis auf die Sache. Das war im achten Monat ihrer Schwangerschaft. Sie hatte ihre Stellung als Diätassistentin in Sektionsküche A-23 aufgegeben und vergnügte sich jetzt, wo sie über ungewohnt viel Zeit verfügte, mit Spekulationen und Vorbereitungen auf die Geburt des Babys.
Eines Abends sagte sie: »Was hältst du von Bentley?«
»Wie bitte, meine Liebe?« fragte Baley und blickte von ein paar Papieren auf, die er sich mit nach Hause gebracht hatte. (Bald galt es einen weiteren hungrigen Mund zu füttern. Und Jessies Gehaltszahlungen hatten aufgehört, und eine nächste Beförderung schien so weit entfernt wie eh und je. Zusätzliche Arbeit war daher notwendig.)
»Ich meine, wenn das Baby ein Junge ist. Was hältst du von Bentley als Name?«
Baley zog seine Mundwinkel herunter. »Bentley Baley? Findest du nicht, daß sich die Namen zu ähnlich sind?«
»Ich weiß nicht. Ich finde, es klingt gut. Außerdem kann das Kind sich ja immer noch später einen Mittelnamen aussuchen, der ihm gefällt.«
»Nun, mir ist es recht.«
»Bist du auch ganz sicher? Ich meine… Vielleicht hättest du lieber gehabt, daß wir ihn Elijah nennen?«
»Damit ihn dann alle Junior nennen? Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee wäre. Er kann ja seinen Sohn dann Elijah nennen, wenn er das will.«
Und Jessie meinte: »Da ist nur eins«, und sie hielt inne.
Nach ein paar Augenblicken sah er auf. »Was denn?«
Sie wich seinem Blick zwar aus, meinte aber entschieden: »Bentley ist doch kein Name aus der Bibel, oder?«
»Nein«, sagte Baley. »Ganz sicher nicht.«
»Also gut dann. Ich will keine Namen aus der Bibel.«
Und das war das einzige Mal, daß er sich daran erinnerte, von damals bis zu dem Tag, an dem Elijah Baley mit dem Roboter Daneel Olivaw nach Hause kam, an dem er mehr als achtzehn Jahre verheiratet war und sein Sohn Bentley Baley (immer noch ohne Mittelnamen) inzwischen sechzehn.
Baley blieb vor der großen Doppeltür stehen, auf der in großen Buchstaben:
PERSONAL – MÄNNER
stand. In kleineren Lettern stand darunter:
UNTERSEKTIONEN 1A – 1E
Und in noch kleineren Buchstaben, dicht über dem Schlüsselschlitz, war zu lesen:
IM FALLE EINES SCHLÜSSELVERLUSTS
bitte sofort mit 27-101-51 Verbindung aufnehmen
Ein Mann drängte sich an ihnen vorbei, steckte einen Aluminiumstreifen in den Schlüsselschlitz und trat ein. Er schloß die Tür hinter sich, ohne Anstalten zu machen, sie Baley aufzuhalten. Wenn er das getan hätte, wäre Baley ernsthaft beleidigt gewesen. Sitte und Gewohnheit verlangten, daß Männer einander innerhalb oder außerhalb der Personals völlig ignorierten. Baley erinnerte sich daran, daß eine der interessantesten ehelichen Vertraulichkeiten, die Jessie ihm erzählt hatte, gewesen war, daß die Situation im Frauen-Personal völlig anders war.
Man hörte von ihr die ganze Zeit: »Ich bin Josephine Greely im Personal begegnet, und sie sagte…«
Eine der Strafen des sozialen Aufstiegs, die die Baleys dulden mußten, bestand darin, daß Jessies gesellschaftliches Leben darunter litt, weil ihnen genehmigt worden war, das kleine Waschbecken in ihrem Schlafzimmer in Betrieb zu nehmen.
Baley sagte, ohne die Verlegenheit, die er empfand, völlig zu verhehlen: »Bitte, warten Sie hier draußen, Daneel.«
»Haben Sie vor, sich zu waschen?« fragte R. Daneel.
Baley senkte den Blick und dachte: Verdammter Roboter! Wenn die ihn schon über alles aufgeklärt haben, warum haben sie ihm dann keine Manieren beigebracht? Wenn er so etwas je zu jemand anderem sagen sollte, trage ich dafür die Verantwortung.
»Ich will
Weitere Kostenlose Bücher