Foundation 02: Die Stahlhöhlen
gehen ins Wohnzimmer zurück! Das sieht jetzt schon seltsam aus.«
Lije Baley war plötzlich wegen seiner Wohnung etwas unsicher. Bis zu diesem Augenblick war sie ihm immer ganz normal vorgekommen. Er war sogar immer stolz auf sie gewesen. Die Wohnung hatte drei große Zimmer; das Wohnzimmer beispielsweise war fünf mal sechs Meter groß. Jeder Raum hatte einen Einbauschrank. Einer der Hauptentlüftungsschächte führte direkt an der Wohnung vorbei. Das bedeutete gelegentlich eine kleine Geräuschbelästigung, andererseits garantierte es hervorragende Klimatisierung. Es war auch von den beiden Personals nicht zu weit entfernt, und das war sehr bequem.
Aber jetzt, wo das Geschöpf aus dem Weltraum mitten in der Wohnung saß, empfand Baley ein Gefühl der Unsicherheit. Die Wohnung kam ihm auf einmal primitiv und beengend vor.
Jessie meinte mit einer Fröhlichkeit, die ein wenig gekünstelt wirkte: »Habt ihr schon gegessen, Lije, du und Mr. Olivaw?«
»Daneel wird nicht mit uns essen«, sagte Baley schnell. »Aber ich werde essen.«
Jessie akzeptierte das ohne Kommentar. Wo die Lebensmittelversorgung so streng rationiert war, war es durchaus höflich, die Gastfreundschaft anderer Leute abzulehnen.
»Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn wir essen, Mr. Olivaw«, sagte sie. »Lije, Bentley und ich essen gewöhnlich in der Gemeinschaftsküche. Das ist viel bequemer, und die Abwechslung dort ist größer, verstehen Sie? Und, nur zu Ihnen gesagt, die Portionen sind auch größer. Aber Lije und ich haben die Erlaubnis, dreimal die Woche in unserer Wohnung zu essen, wenn wir das wollen – Lije ist sehr erfolgreich im Büro, und wir haben einen guten Status – und ich hatte gedacht, wenn Sie sich uns anschließen wollen, könnten wir ja ein kleines privates Fest arrangieren, auch wenn ich der Meinung bin, daß es ein wenig unsozial ist, seine Privatheitsprivilegien zu überziehen.«
R. Daneel hörte höflich zu.
Und Baley machte verstohlen eine beschwichtigende Handbewegung und sagte: »Jessie, ich habe Hunger.«
R. Daneel fragte: »Würde ich gegen die guten Sitten verstoßen, Mrs. Baley, wenn ich Sie mit Vornamen anspreche?«
»Aber nein, sicher nicht.« Jessie klappte einen Tisch aus der Wand und steckte den Tellerwärmer in die Steckdose. »Sie können mich jederzeit Jessie nennen… äh… Daneel.« Sie kicherte.
Baley war wütend. Die Situation wurde immer unbehaglicher. Jessie sah in R. Daneel einen Mann. Das würde etwas sein, worüber man im Frauen-Personal reden und prahlen konnte. Auf etwas hölzerne Art war Daneel sogar ein gutaussehender Mann, und Jessie genoß seine Unterwürfigkeit. Das spürte man.
Baley fragte sich, welchen Eindruck R. Daneel wohl von Jessie haben mochte. Sie hatte sich in den achtzehn Jahren nicht sehr verändert, wenigstens für Lije Baley nicht. Natürlich hatte sie zugenommen, und ihre Figur hatte viel von ihrem jugendlichen Reiz verloren. In ihren Mundwinkeln waren Falten zu sehen, und ihre Wangen waren etwas runder geworden. Ihr Haar trug sie jetzt konservativer und in etwas hellerem Braun, als es einmal gewesen war.
Aber das ist alles ohne Belang, dachte Baley. Auf den Äußeren Welten waren die Frauen so groß, so schlank und so eindrucksvoll wie die Männer. Oder die Buchfilme zeigten sie zumindest so. Und an die Art von Frau war R. Daneel ohne Zweifel gewohnt.
Aber Jessies Worte, ihr Aussehen oder der Gebrauch seines Namens schien R. Daneel nicht aus der Fassung zu bringen. Er fragte: »Sind Sie sicher, daß das nicht ungehörig ist? Der Name Jessie scheint mir eine Abkürzung zu sein. Vielleicht kommt es nur Ihrem unmittelbaren Kreis zu, ihn zu benutzen, und es wäre passender, wenn ich Ihren vollen Vornamen gebrauchte.«
Jessie, die damit beschäftigt war, die Isolierfolie abzureißen, die ihre Abendessenration einhüllte, beugte sich plötzlich in voller Konzentration über ihre Arbeit.
»Einfach Jessie«, sagte sie etwas angespannt. »Jeder nennt mich so. Das ist schon gut so.«
»Wie Sie meinen, Jessie.«
Die Tür ging auf, und ein Junge trat vorsichtig ein. Seine Augen fanden R. Daneel.
»Dad?« sagte der Junge etwas verlegen.
»Das ist mein Sohn Bentley«, sagte Baley mit leiser Stimme. »Das ist Mr. Olivaw, Bentley.«
»Er ist wohl dein Partner, hm, Dad? Tag, Mr. Olivaw.« Bens Augen wurden groß und leuchteten. »Sag mal, Dad, was ist denn in dem Schuhladen passiert? In den Nachrichten haben die…«
»Stell jetzt keine Fragen, Ben!«
Weitere Kostenlose Bücher