Foundation 02: Die Stahlhöhlen
Kommen und wußte, daß dies nur bedeuten konnte, daß er sie töten wollte. In ihrem Stolz und ihrem Mut bemalte sie sich das Gesicht und zog ihre besten Kleider an, um ihm als hochmütige, stolze Königin gegenübertreten zu können. Er ließ sie aus dem Palastfenster werfen und töten. Aber ich finde, das war ein stolzes Ende. Und das ist es, was die Leute meinen, wenn sie von einer ›bemalten Isebel‹ sprechen, ob sie es nun wissen oder nicht.«
Am nächsten Abend sagte Jessie kleinlaut: »Ich habe in der Bibel gelesen, Lije.«
»Was?« Einen Augenblick lang war Baley ehrlich verwirrt.
»Die Stelle über Isebel.«
»Oh! Jessie, es tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe. Das war kindisch von mir.«
»Nein, nein.« Sie schob ihn weg und saß kühl und mit deutlichem Abstand zwischen ihm und ihr auf der Couch. »Es ist gut, die Wahrheit zu kennen. Ich möchte nicht durch meine Unwissenheit getäuscht werden. Also habe ich über sie nachgelesen. Sie war eine böse Frau, Lije.«
»Nun, dieses Kapitel haben ihre Feinde geschrieben. Ihre Darstellung kennen wir nicht.«
»Sie hat alle Propheten des Herrn getötet, die sie erwischen konnte.«
»So heißt es.« Baley suchte in der Tasche nach einem Stück Kaugummi. (Später hatte er sich den Kaugummi abgewöhnt, weil Jessie gesagt hatte, bei seinem langen Gesicht und mit seinen traurigen braunen Augen würde er damit wie eine alte Kuh aussehen, die etwas im Maul hatte, das zu groß war, um es zu verschlucken, es aber auch nicht ausspucken wollte.) Er meinte: »Wenn du ihre Seite hören willst, könnte ich mir da einige Argumente ausdenken. Die Religion ihrer Vorfahren war ihr wichtig, und die waren schon lange vor der Ankunft der Hebräer im Land gewesen. Die Hebräer hatten ihren eigenen Gott, und, was noch viel wichtiger ist, einen Gott, der keinen anderen neben sich duldete. Sie waren damit nicht zufrieden, ihn selbst anzubeten; sie wollten auch, daß alle anderen ringsum das taten.
Isebel war eine Konservative und hielt am alten Glauben fest. Schließlich hatte der neue Glauben vielleicht höhere moralische Werte, dafür war der alte emotionell befriedigender. Die Tatsache, daß sie Priester tötete, kennzeichnet sie nur als ein Kind ihrer Zeit. Das war in jenen Tagen die übliche Methode der Missionierung. Wenn du das Buch der Könige liest, darfst du nicht vergessen, daß Elias (diesmal mein Namenspatron) einen Wettstreit mit achthundertfünfzig Propheten des Baal hatte, um zu sehen, wer Feuer vom Himmel holen konnte. Elias gewann und befahl den Zuschauern prompt, die achthundertfünfzig Baal-Priester zu töten. Was sie daraufhin taten.«
Jessie biß sich auf die Unterlippe. »Und was ist mit Naboths Weingarten, Lije? Dieser Naboth hat niemandem etwas zuleide getan. Er weigerte sich nur, dem König seinen Weinberg zu verkaufen. Also sorgte Isebel dafür, daß einige Leute meineidig wurden und sagten, Naboth hätte Blasphemie begangen oder irgend so etwas.«
»Es hieß, er habe ›Blasphemie gegen Gott und den König‹ begangen«, sagte Baley.
»Ja. Und daraufhin haben sie seinen Besitz konfisziert, nachdem sie ihn getötet hatten.«
»Das war Unrecht. In modernen Zeiten wäre man ganz einfach mit Naboth zurande gekommen. Wenn die City seinen Besitz gewollt hätte oder auch nur eine der mittelalterlichen Nationen, hätten die Gerichte ein Enteignungsverfahren gegen ihn angestrengt und ihn, wenn nötig, gewaltsam von seinem Besitz entfernt und ihm das bezahlt, was sie für einen fairen Preis gehalten hätten. Der Ausweg stand König Ahab nicht zur Verfügung. Trotzdem war Isebels Lösung Unrecht. Die einzige Entschuldigung, die man für sie vorbringen kann, ist, daß Ahab über die Lage unglücklich war und sie der Ansicht war, ihre Liebe, die sie für ihren Mann empfand, sei wichtiger als Naboths Wohlergehen. Ich sage dir doch, sie war geradezu das Urbild einer getreuen Ehe…«
Jessie sprang mit gerötetem Gesicht und zornig auf. »Ich finde, du bist gemein und häßlich.«
Er sah sie verständnislos an. »Was hab’ ich denn getan? Was ist denn mit dir?«
Sie verließ die Wohnung, ohne ihm zu antworten, und verbrachte den Abend und die halbe Nacht in den Subäther-Video-Etagen, wobei sie verstimmt von einer Schau zur anderen eilte und die Zuteilung von zwei Monaten (und die ihres Mannes obendrein) aufbrauchte.
Als sie zurückkam und Lije Baley immer noch wach war, hatte sie ihm nichts mehr zu sagen.
Später – viel später – kam es Baley
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