Foundation 05: Das Foundation-Projekt
Vorstellung geht dahin, daß wir nicht alle
Informationen finden, die die Öffentlichkeit anfordert, sondern
nur die Dinge, die wir für wichtig halten.«
»Damit würden Sie nicht nur das Konzept einer offenen
Bibliothek aufgeben, sondern auch das einer umfassenden
Bibliothek?«
»Ich fürchte, ja.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendein
Bibliothekar so etwas anstreben könnte.«
»Dann kennen Sie Gennaro Mummery nicht, Professor
Seldon.« Als Zenow Seldons verständnislosen Blick sah, fuhr
er fort: »›Wer ist das?‹ fragen Sie sich. Nun, er ist
der Anführer jenes Teils des Verwaltungsrats, der die Bibliothek
sperren möchte. Und er zieht immer mehr Mitglieder des Gremiums
auf seine Seite. Wenn ich Sie und Ihre Kollegen als
eigenständige Gruppe in die Bibliothek lasse, könnte sich
eine Reihe von Verwaltungsratsmitgliedern, die Mummerys Standpunkt
vielleicht noch nicht teilen, aber strikt dagegen sind, daß
irgendein Bereich der Bibliothek von jemand anderem als den
Bibliothekaren beherrscht wird, dazu bewegen lassen, mit ihm zu
stimmen. In diesem Fall bliebe mir nichts übrig, als mein Amt
als Chefbibliothekar niederzulegen.«
»Hören Sie«, sagte Seldon lebhaft. »Alles, was
Sie mir eben erzählten, die drohende Schließung der
Bibliothek, das Bestreben, sie weniger leicht zugänglich zu
machen, der Öffentlichkeit Informationen vorzuenthalten –
die Kürzung der öffentlichen Mittel – das alles ist an
sich schon ein Zeichen für den imperialen Zerfall. Sind Sie
nicht auch dieser Meinung?«
»Wenn Sie es so darstellen, könnten Sie recht
haben.«
»Dann lassen Sie mich vor dem Verwaltungsrat sprechen. Lassen
Sie mich erklären, was die Zukunft bringen könnte und wie
ich dem begegnen möchte. Vielleicht gelingt es mir, die
Mitglieder zu überzeugen, wie ich hoffentlich Sie überzeugt
habe.«
Zenow überlegte einen Moment. »Ich gestatte Ihnen gerne,
den Versuch zu wagen, aber Sie sollten sich im voraus darauf
einstellen, daß Ihr Plan auch scheitern könnte.«
»Das Risiko muß ich eingehen. Bitte veranlassen sie
alles Nötige und teilen Sie mir dann mit, wann ich vor dem
Verwaltungsrat sprechen kann.«
Als Seldon Zenow verließ, war ihm nicht wohl in seiner Haut.
Zwar stimmte alles, was er dem Chefbibliothekar erzählt hatte
– aber es war belanglos. Der eigentliche Zweck, zu dem er die
Bibliothek benützen wollte, blieb im dunkeln.
Zum Teil lag das daran, daß er sich über diesen Zweck
selbst noch nicht ganz im klaren war.
9
Hari Seldon saß – geduldig, traurig – an Yugo
Amaryls Bett. Yugos Kräfte waren erschöpft. Kein Arzt
hätte ihm mehr helfen können, auch wenn er es nicht
ausdrücklich abgelehnt hätte, ärztliche Hilfe in
Anspruch zu nehmen.
Er war erst fünfundfünfzig. Seldon selbst war
Sechsundsechzig, und doch war er bis auf sein Ischias – oder was
immer es war, das ihn gelegentlich plagte – in bester
Verfassung.
Amaryl schlug die Augen auf. »Du bist immer noch hier,
Hari?«
Seldon nickte. »Ich verlasse dich nicht.«
»Bleibst du, bis ich sterbe?«
»Ja.« Dann brach der Kummer aus ihm heraus, und er
fragte: »Warum mußte das sein, Yugo? Hättest du
vernünftig gelebt, du hättest zwanzig bis dreißig
Jahre länger Zeit haben können.«
Amaryl lächelte schwach. »Vernünftig leben? Du
meinst, Urlaub machen? In Kurorte fahren? Mich mit Nichtigkeiten
zerstreuen?«
»Genau das.«
»Entweder hätte ich mich ständig nach meiner Arbeit
zurückgesehnt, oder ich hätte Gefallen daran gefunden,
meine Zeit zu vergeuden, und dann hätte ich in den zwanzig bis
dreißig zusätzlichen Jahren, von denen du sprichst, auch
nicht mehr erreicht. Sieh dich doch selbst an.«
»Was ist mit mir?«
»Zehn Jahre warst du unter Cleon Kanzler. Was hast du in
dieser Zeit an wissenschaftlicher Leistung erbracht?«
»Ich habe etwa ein Viertel meiner Arbeitskraft auf die
Psychohistorik verwendet«, antwortete Seldon sanft.
»Du übertreibst. Wenn ich nicht unablässig
geschuftet hätte, wäre die Psychohistorik mit quietschenden
Bremsen zum Stillstand gekommen.«
Seldon nickte. »Du hast recht, Yugo. Ich bin dir dankbar
dafür.«
»Und vor- und nachher, als du deine Zeit mindestens zur
Hälfte mit Verwaltungsarbeiten zugebracht hast, wer macht…
wer hat da die eigentliche Arbeit getan? Wie?«
»Du, Yugo.«
»Unbedingt.« Die Lider schlossen sich wieder.
»Und doch hast du dich immer danach gedrängt, diesen
Verwaltungskram nach meinem Tod zu übernehmen«,
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