Foundation 05: Das Foundation-Projekt
jedoch nicht unwiderstehlich. An der Tür
drehte er sich noch einmal um und sagte: »Du machst einen
Fehler, Hari.«
Seldon lächelte. »Das glaube ich nicht, aber du hast
mich ja gewarnt, und ich werde die Warnung nicht vergessen. Trotzdem
wird alles gut werden.«
Doch sobald Amaryl draußen war, verblaßte Seldons
Lächeln. – Würde wirklich alles gut werden?
2
Seldon vergaß Amaryls Warnung zwar tatsächlich nicht,
aber sie beschäftigte ihn auch nicht allzusehr. Sein vierzigster
Geburtstag kam und ging vorüber – und mit ihm der
inzwischen vertraute, psychische Schock.
Vierzig! Damit war er kein junger Mann mehr. Das Leben lag nicht
länger vor ihm wie ein weites, unerforschtes Land, dessen
Grenzen sich in der Feme verloren. Seit acht Jahren war er nun auf
Trantor, und die Zeit war vergangen wie im Flug. Noch einmal acht
Jahre, und er würde fast fünfzig sein. Damit wäre das
Greisenalter bereits bedrohlich nahegerückt.
Und mit der Psychohistorik hatte er noch nicht einmal so recht
begonnen! Yugo Amaryl redete munter von Gesetzen und stellte
Gleichungen auf, die auf kühnen, nur von Intuition getragenen
Voraussetzungen beruhten. Aber wie sollte man diese Voraussetzungen
überprüfen? Noch war die Psychohistorik keine empirische
Wissenschaft. Um die Erkenntnisse bis ins letzte zu beweisen,
wären Experimente mit ganzen Welten voller Menschen
erforderlich, über Jahrhunderte hinweg – und ohne
Rücksicht auf moralische Bedenken irgendwelcher Art.
Das Problem schien unlösbar, Seldon ärgerte sich
über jede Minute, die er mit Verwaltungsarbeiten vergeuden
mußte, und trat jeden Abend in miserabler Laune den
Nachhauseweg an.
Zumeist pflegte der Spaziergang über den Campus seine
Lebensgeister wieder zu wecken. Die Universität Streeling lag
unter einer hohen Kuppel, und so hatte man das Gefühl, sich im
Freien aufzuhalten, ohne den Unbilden der Witterung ausgesetzt zu
sein, ähnlich, wie er es bei seinem (bisher einzigen) Besuch im
Kaiserlichen Palast erlebt hatte. Hier gab es Bäume,
Rasenflächen und Wege, die ihn fast an den Campus seines alten
College auf seiner Heimatwelt Helicon erinnerten.
An diesem Tag sah das Wetterzentrum die Illusion einer Wolkendecke
vor, durch die in unregelmäßigen Abständen das
Sonnenlicht (natürlich nur Sonnenlicht, nicht etwa die Sonne
selbst) drang, um dann wieder zu verschwinden. Und es war ein ganz
klein wenig kühl.
Seldon kam es so vor, als seien die kühlen Tage in letzter
Zeit etwas häufiger geworden. Wollte Trantor Energie sparen? War
wachsende Inkompetenz die Ursache? Oder (Unmut durchzuckte ihn bei
dem Gedanken) wurde er einfach alt, wurde sein Blut immer
dünner? Er steckte die Hände in die Jackentaschen und zog
die Schultern hoch.
Im allgemeinen überlegte er nicht, wohin er ging. Den Weg von
seinem Büro zum Computerraum, von dort zu seiner Wohnung und
wieder zurück kannte er im Schlaf. Normalerweise war er dabei
mit seinen Gedanken anderswo, doch heute drang ein Geräusch in
sein Bewußtsein. Ein Laut, der keine Bedeutung hatte.
»Jo… Jo… Jo… Jo…«
Die Rufe waren leise und noch ziemlich fern, aber sie weckten eine
Erinnerung. Richtig, Amaryls Warnung. Der Demagoge. War er etwa hier
auf dem Campus?
Seldons Beine schwenkten ab, ohne daß er sich bewußt
dazu entschlossen hätte, und trugen ihn über die kleine
Anhöhe zum Großen Platz der Universität, auf dem
sonst gymnastische Übungen, Sportveranstaltungen und
Studentengottesdienste abgehalten wurden.
Mitten auf dem Platz hatte sich eine nicht allzu große
Gruppe begeistert skandierender Studenten versammelt. Auf einer
Plattform stand jemand, den Seldon nicht kannte, jemand, der mit
lauter Stimme und in zündendem Rhythmus eine Rede hielt.
Dieser Mann war jedoch nicht Joranum. Seldon hatte den Volkshelden
mehrmals in Holovision gesehen, und seit Amaryls Warnung hatte er ihn
genau beobachtet. Joranum war ein Hüne von einem Mann, der sich
mit seinem tückischen Lächeln anzubiedern suchte. Er hatte
dichtes, rotblondes Haar und hellblaue Augen.
Dieser Redner dagegen war klein – eher schmächtig, er
hatte einen breiten Mund, schwarzes Haar, und er war laut. Seldon
hörte eigentlich nicht zu, aber die Phrase »Macht für
alle, nicht nur für einen« und den vielstimmigen
Antwortschrei bekam er doch mit.
Schön, dachte Seldon, aber wie gedenkt er das in die Tat
umzusetzen – und meint er es auch ernst?
Inzwischen hatte er die Menge erreicht und suchte nach
Weitere Kostenlose Bücher