Foundation 05: Das Foundation-Projekt
Hinrichtungen fanden statt. Eine Säuberungswelle solchen
Ausmaßes hatte es seit über hundert Jahren nicht mehr
gegeben. Zwei Minister, fünf Beamte aus den unteren Rängen
und vier Soldaten, darunter der glücklose Sergeant, fanden den
Tod. Jeder Gardist, der einer Überprüfung auf Herz und
Nieren nicht standhielt, wurde seines Postens enthoben und auf die
fernen Außenwelten verbannt.
Seither hatte es keinen Hauch von Verrat mehr gegeben. Irgendwann
hatte sich auch überall herumgesprochen, mit welcher Sorgfalt
der Kanzler beschützt wurde, und das nicht nur von der
furchterregenden – weithin als ›Tigerweib‹ bekannten
– Frau, die über ihn wachte. Schließlich konnte Dors
sogar darauf verzichten, ihn auf Schritt und Tritt zu begleiten.
Allein ihr Ruf umgab ihn wie ein Panzer, und Kaiser Cleon genoß
fast zehn Jahre ungetrübten Friedens und absoluter
Sicherheit.
Doch inzwischen näherte sich die Psychohistorik endlich dem
Stadium, wo gewisse Voraussagen möglich wurden, und wenn Seldon
jetzt auf dem Weg von den Amtsräumen (des Kanzlers) zum Labor
(des Psychohistorikers) den Park durchquerte, kam ihm immer wieder
beklemmend zu Bewußtsein, daß diese Periode des Friedens
wahrscheinlich ihrem Ende entgegenging.
3
Gleichwohl konnte Hari Seldon eine gewisse Genugtuung nicht
unterdrücken, wenn er sein Labor betrat.
Wie sehr sich doch alles verändert hatte.
Begonnen hatte es vor zwanzig Jahren, als er allein auf seinem
billigen kleinen Computer heliconischer Bauart herumspielte. Damals
hatte er die spätere Parachaos-Mathematik in ersten,
verschwommenen Umrissen erahnt.
Dann hatte er, zusammen mit Yugo Amaryl, an der Universität
von Streeling jahrelang daran gearbeitet, die Gleichungen zu
renormalisieren, störende Unendlichkeitsstellen zu eliminieren
und nach Wegen zu suchen, um die schlimmsten Chaosbereiche zu
umgehen. Dabei waren sie nur sehr langsam vorangekommen.
Und jetzt, nach zehn Jahren als Kanzler des Imperiums, standen ihm
ein ganzes Stockwerk voll modernster Computer und ein ganzer Stab von
Mitarbeitern zur Verfügung, die sich mit den verschiedensten
Problemen beschäftigten.
Es lag in der Natur der Sache, daß alle Angehörigen
dieses Stabes – Yugo und ihn selbst natürlich ausgenommen
– nur so viel über das Projekt wissen durften, wie sie
brauchten, um jeweils ein eng umrissenes Spezialthema zu bearbeiten.
Jeder von ihnen war lediglich mit einer kleinen Spalte oder einer
Felsnase des gigantischen Gebirgsmassivs Psychohistorik befaßt,
das nur Seldon und Amaryl als solches erkennen konnten – und
auch sie nur schemenhaft, denn die Gipfel ragten bis in die Wolken
hinein, und die Hänge waren von Nebelschleiern
verhüllt.
Dors Venabili hatte natürlich recht. Er mußte
allmählich darangehen, seine Leute in das Mysterium einzuweihen.
Man war längst über das Stadium hinaus, in dem zwei
Männer genügten, um die ganze Theorie zu bewältigen.
Und Seldon spürte, daß er älter wurde. Auch wenn er
wohl noch einige Jahrzehnte vor sich hatte, die fruchtbarsten Jahre,
in denen er seine größten Triumphe erzielt hatte, waren
zweifellos vorüber.
Auch Amaryl wurde im nächsten Monat neununddreißig, war
also noch nicht alt, aber für einen Mathematiker vielleicht auch
nicht mehr unbedingt der jüngste – und er arbeitete schon
fast so lange an der Theorie wie Seldon selbst. Auch bei ihm mochte
die Fähigkeit abnehmen, in neuen, noch nicht eingefahrenen
Bahnen zu denken.
Amaryl hatte ihn kommen sehen und ging ihm entgegen. Seldon
betrachtete ihn voller Zuneigung. Amaryl war wie Seldons Adoptivsohn
Raych ein waschechter Dahliter, und doch wirkte er ganz und gar nicht
so, trotz seines muskulösen, gedrungenen Körperbaus. Ihm
fehlte der typische Schnauzbart, ihm fehlte der typische Akzent, er
schien nicht einmal wie ein Dahliter zu denken und zu fühlen.
Nicht einmal für die Verführungskünste von Jo-Jo
Joranum, die auf die Bewohner von Dahl einen so unwiderstehlichen
Reiz ausgeübt hatten, war er empfänglich gewesen.
Amaryl schien keine Bindungen zu kennen, weder an seinen Bezirk,
noch an seinen Planeten, nicht einmal an das Imperium. Er
gehörte – mit Haut und Haaren – der
Psychohistorik.
Mit einem Mal kam Seldon sich unzulänglich vor. Er selbst war
immer noch geprägt von den beiden ersten auf Helicon verbrachten
Jahrzehnten seines Lebens und fühlte sich unwillkürlich als
Heliconier. Würde diese Prägung ihm nicht noch einmal zum
Verhängnis werden, indem
Weitere Kostenlose Bücher