Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
gegen die man keinen wirksamen Schutz
entwickelt hatte.« Er wies mit weit ausholender Geste nach
draußen, wo der Horizont jenseits der dicken Betonmauern seines
Zimmers im tödlichen Blau der Radioaktivität erstrahlte.
»Während meines Aufenthalts hier habe ich nur zu deutlich
erkannt«, fuhr er fort, »wie absurd es ist, von einer
Gesellschaft, deren Waffentechnik nie über dieses Niveau
hinausgekommen ist, irgend etwas lernen zu wollen. Alle Welt
träumt gern davon, vergessene Künste und Wissenschaften
wiederzuentdecken, und manche Leute können es eben nicht lassen,
den Primitivismus zum Kult zu erheben und den prähistorischen
Zivilisationen der Erde alle möglichen geheimen Fähigkeiten
zuzuschreiben.«
»Andererseits war der Gutsherr kein Dummkopf«, gab
Rizzett zu bedenken. »Und er hat explizit erklärt, er kenne
kein Dokument, das brisanter wäre. Sie wissen selbst, wie er
sich ausdrückte. Ich kann ihn sogar wörtlich zitieren:
›Was darin steht, ist tödlich für die Tyranni und
tödlich auch für uns; doch der Galaxis würde es
letztendlich das Überleben sichern.‹«
»Der Gutsherr war auch nur ein Mensch und konnte sich
irren.«
»Bedenken Sie doch, Sir, wir haben keine Ahnung, worum es in
dem Dokument überhaupt geht. Es könnte sich zum Beispiel um
Laboraufzeichnungen handeln, die nie veröffentlicht wurden.
Vielleicht bezieht es sich auch auf eine Waffe, die von den
Erdenmenschen nie als solche erkannt wurde; auf etwas, das auf den
ersten Blick gar nicht wie eine Waffe aussieht…«
»Unsinn. Als alter Soldat sollten Sie zumindest eines gelernt
haben. Wenn es einen Zweig der Wissenschaft gibt, den der Mensch
unermüdlich und bis ins letzte erforscht hat, dann ist es die
Waffentechnik. Es gibt keine potentielle Waffe, die zehntausend Jahre
lang unentdeckt geblieben wäre. Ich glaube, Rizzett, wir
können nach Lingane zurückkehren.«
Rizzett zuckte die Achseln. Er war nicht überzeugt.
Jonti war es noch tausendmal weniger. Allein die Tatsache,
daß irgend jemand das Dokument gestohlen hatte, war von
Bedeutung. Man hatte es eines Diebstahls für wert befunden! Und
jetzt konnte es überall in der Galaxis sein.
Er mochte gar nicht daran denken, daß es womöglich den
Tyranni in die Hände gefallen war. Der Gutsherr war Jonti in
dieser Frage stets ausgewichen, hatte nicht einmal ihm völlig
vertraut. Das Dokument sei brandgefährlich, hatte er gesagt, ein
zweischneidiges Schwert, das nicht so ohne weiteres eingesetzt werden
könne. Verärgert preßte Jonti die Lippen aufeinander.
Dieser Verrückte mit seinen blödsinnigen Andeutungen! Und
jetzt hatten ihn die Tyranni erwischt.
Angenommen, jemand wie Aratap wäre nun im Besitz eines
solchen Geheimnisses? Aratap! Die einzige Unbekannte in der
Gleichung, nachdem der Gutsherr tot war; der gefährlichste
Tyrannier von allen.
Simok Aratap war nicht sehr groß, und er hatte krumme Beine
und Schlitzaugen. Doch obwohl er, kurzgliedrig und gedrungen wie die
meisten Tyrannier, einem besonders hochgewachsenen und
durchtrainierten Vertreter der Subalternwelten gegenüberstand,
fühlte er sich völlig als Herr der Lage. Er kannte seinen
Wert und sonnte sich im Glanz seiner Ahnen, die zwei Generationen
zuvor erstmals ihre unfruchtbaren, von Stürmen
geschüttelten Welten verlassen hatten, um durch die Leere des
Alls zu rasen und sich die reichen, dichtbevölkerten Planeten
der Nebelsektoren Untertan zu machen.
Sein Vater hatte ein Geschwader jener kleinen, schnellen Schiffe
befehligt, die wie der Blitz angriffen, sofort wieder verschwanden
und wie aus dem Nichts von neuem auftauchten, um die plumpen
Titanenkreuzer ihrer Gegner schrottreif zu schießen.
Die Nebelwelten hatten nach bewährtem Muster gekämpft,
doch die Tyranni hatten eine neue Strategie entwickelt. Wo immer die
prunkvollen Riesenschiffe der gegnerischen Marine zum Nahkampf
übergehen wollten, schlugen sie ins Leere und vergeudeten nur
ihre Energiereserven. Die Tyranni dagegen verließen sich
zusehends weniger auf bloße Masse und legten dafür umso
größeren Wert auf Wendigkeit und Kooperation. So fiel
ihnen ein Angriffsziel nach dem anderen in die Hände. Jede Welt
beobachtete mit heimlicher Schadenfreude die Schwierigkeiten ihrer
Nachbarn und wiegte sich hinter ihren Festungsmauern aus
stählernen Schiffen so lange in Sicherheit, bis die Reihe an sie
kam.
Doch diese Kriege waren seit fünfzig Jahren vorbei. Seither
waren aus den Nebelreichen Provinzen geworden, die es nur noch
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