Foundation 07: Die Rettung des Imperiums
entblößen? Ich hatte das
Gefühl, sie würde mich gleich anzeigen.«
»Das ist jetzt nicht wichtig«, sagte Seldon ungeduldig.
»Wissen Sie, wo dieser zentrale Tempel steht?«
»Man hat mir erklärt, wie man hinkommt, aber
Regentropfen Fünfundvierzig hat mich gewarnt – Frauen sind
dort nicht zugelassen, außer bei besonderen Anlässen, und
ein solcher steht nicht bevor. Man nennt ihn das
Sakratorium.«
»Das was?«
»Das Sakratorium.«
»Was für ein häßliches Wort. Was bedeutet
es?«
Dors schüttelte den Kopf. »Ich habe es auch noch nie
gehört. Und Regentropfen wußte auch nicht, was es
bedeutet. Für die Leute hier ist Sakratorium auch nicht der Name
des Gebäudes, sondern das Gebäude selbst. Wenn man sie
fragt, warum sie es so nennen, ist das wahrscheinlich so, als
würde man sie fragen, warum man eine Mauer als Mauer
bezeichnet.«
»Wissen sie denn überhaupt etwas darüber?«
»Natürlich, Hari. Sie wissen, wozu es dient. Es ist ein
Ort, der etwas anderem als dem Leben hier in Mykogen gewidmet ist. Es
ist einer anderen Welt gewidmet, einer früheren,
besseren.«
»Die Welt, auf der sie einmal gelebt haben, meinen
Sie?«
»Genau das. Regentropfen Fünfundvierzig hat es praktisch
gesagt, aber nicht ganz. Sie brachte es einfach nicht über sich,
das Wort auszusprechen.«
»Aurora?«
»Das ist das Wort, das ich meine, aber ich vermute, wenn Sie
es vor einer Gruppe von Mykogeniern laut aussprechen, dann wäre
die schockiert und erschreckt. Als Regentropfen Fünfundvierzig
sagte: ›das Sakratorium ist…‹, machte sie eine Pause
und schrieb die Buchstaben sorgfältig, einen nach dem anderen
mit dem Finger in ihre Handfläche. Und dabei wurde sie rot, als
wäre das etwas Obszönes.«
»Eigenartig«, sagte Seldon. »Wenn das Buch in
diesem Punkt verläßlich ist, dann ist Aurora ihre teuerste
Erinnerung, der Punkt, in dem sie alle vereint sind, der Mittelpunkt,
um den sich alles in Mykogen dreht. Warum sollte es obszön sein,
dieses Wort zu erwähnen? Sind Sie auch ganz sicher, daß
Sie nicht etwas falsch deuten?«
»Ganz sicher. Und vielleicht ist das gar nicht so
geheimnisvoll. Wenn man zuviel darüber redet, besteht die
Gefahr, daß die Stammesleute davon erfahren. Die beste Methode,
das Geheimnis für sich zu bewahren, ist, aus seiner
Erwähnung ein Tabu zu machen.«
»Tabu?«
»Das ist ein spezieller Ausdruck aus der Anthropologie. Ein
Hinweis auf ernsthaften und wirksamen gesellschaftlichen Druck, der
irgendeine Handlung verbietet. Die Tatsache, daß Frauen keinen
Zutritt zum Sakratorium haben, hat wahrscheinlich die Kraft eines
Tabus. Ich bin sicher, daß eine Schwester vor Schrecken
erstarren würde, wenn man den Vorschlag machte, sie solle das
Gelände betreten.«
»Reicht die Ortsbeschreibung, die man Ihnen gegeben hat,
daß ich das Sakratorium alleine finden kann?«
»Zuallererst werden Sie nicht alleine gehen, Hari. Ich komme
mit Ihnen. Ich dachte, wir hätten uns darüber unterhalten
und ich hätte keinen Zweifel daran gelassen, daß ich Sie
aus der Ferne nicht beschützen kann – nicht vor
Schneestürmen und nicht vor wilden Frauen. Zum zweiten ist das
natürlich keine Entfernung, die man zu Fuß
zurücklegen kann. Mykogen mag ein kleiner Bezirk sein, aber so
klein auch wieder nicht.«
»Dann nehmen wir also den Expreß.«
»Es gibt keinen Expreß, der durch mykogenisches
Territorium führt. Das würde den Kontakt zwischen den
Mykogeniern und den Stammesleuten zu sehr erleichtern. Aber es gibt
natürlich öffentliche Verkehrsmittel von der Art, wie man
sie auf weniger entwickelten Planeten findet. Das ist ja Mykogen in
der Tat auch: Stück eines unterentwickelten Planeten, wie ein
Splitter im Leibe Trantors eingebettet, das sonst ein Mischmasch aus
entwickelten Gesellschaften ist. – Und, Hari, sehen Sie zu,
daß Sie so bald wie möglich mit dem Buch fertig werden. Es
ist ganz offenkundig, daß Regentropfen Dreiundvierzig, solange
Sie das Buch haben, in Schwierigkeiten ist, und wir werden auch
Schwierigkeiten bekommen, wenn das herauskommt.«
»Sie meinen, es ist ein Tabu, wenn eine Stammesperson es
liest?«
»Ganz sicher.«
»Nun, es wäre kein großer Verlust, es
zurückzugeben. Ich würde sagen, fünfundneunzig Prozent
davon sind unglaublich langweilig; endlose Auseinandersetzungen
zwischen politischen Gruppen, endlose Rechtfertigung politischer
Entscheidungen, die ich nicht beurteilen kann, endlose Moralpredigten
über ethische Themen, angefüllt mit
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