Foundation 08: Foundation
Boden.
Hari Seldon formulierte als erster, was später als Wahrheit
anerkannt wurde.
»Neurale Mikroströme«, sagte er einmal,
»tragen den Funken jedes variierenden Impulses und jeder
Reaktion mit sich, seien sie bewußt oder unbewußt. Die
Gehirnwellen, die auf kariertem Papier in zitterigen Gipfeln und
Tälern aufgezeichnet werden, spiegeln die kombinierten
Gedankenimpulse von Milliarden von Zellen wider. Theoretisch
müßte eine Analyse die Gedanken und Emotionen der
Versuchsperson bis ins letzte enthüllen können. Es
müßte möglich sein, Unterschiede zu entdecken, die
nicht nur auf schwere körperliche Mängel, ob ererbt oder
erworben, sondern auch auf den wechselnden Zustand der Gefühle,
auf fortschreitende Bildung und Erfahrung und sogar auf etwas so
Subtiles wie eine Veränderung in der Lebensphilosophie der
Versuchsperson zurückzuführen sind.«
Doch auch Seldon kam über die Spekulation nicht hinaus.
Und jetzt räumten die Männer der Ersten Foundation seit
fünfzig Jahren diese unglaublich große und komplizierte
Lagerhalle des Wissens leer. Der Zugang erfolgte natürlich durch
neue Techniken – wie zum Beispiel, daß mit Elektroden an
Schädelnähten ein direkter Kontakt zu den grauen Zellen
hergestellt wurde, wobei es nicht einmal notwendig war, eine Stelle
der Kopfhaut zu rasieren. Und dann gab es ein Gerät, das die
Gehirnwellen-Daten in ihrer Gesamtheit und als getrennte Funktionen
von sechs unabhängigen Variablen automatisch aufzeichnete.
Am bedeutungsvollsten war vielleicht das wachsende Ansehen, in dem
die Enzephalographie und der sich mit ihr befassende Wissenschaftler
standen. Kleise, der größte von ihnen, galt bei
wissenschaftlichen Tagungen als gleichberechtigt mit dem Physiker.
Dr. Darell war, obwohl nicht mehr aktiv auf seinem Gebiet tätig,
wegen seiner brillanten Ausführungen auf dem Gebiet der
enzephalographischen Analyse beinahe ebenso bekannt wie der Tatsache
wegen, daß er der Sohn von Bayta Darell war, der großen
Heldin der vorigen Generation.
Und so saß Dr. Darell jetzt in seinem Sessel und spürte
die federleichte Berührung der Elektroden auf seinem
Schädel, während die von Vakuum umhüllten Nadeln hin-
und hertanzten. Er wandte dem Aufnahmegerät den Rücken,
denn es war bekannt, daß der Anblick der sich bewegenden Kurven
die unbewußte Bemühung hervorrief, sie zu kontrollieren,
was bemerkenswerte Ergebnisse zeitigte. Aber er wußte,
daß die Skala in der Mitte die starke und sich wenig
verändernde Sigma-Kurve zeigte, die von seinem mächtigen
und disziplinierten Verstand zu erwarten war. Bestätigt wurde
sie von der Kleinhirn-Welle. Von dem Stirnlappen kamen scharfe, fast
unzusammenhängende Sprünge und von den Regionen unter der
Oberfläche der enge Bereich von Frequenzen…
Er kannte sein eigenes Gehirnwellen-Muster ebensogut, wie ein
Maler die Farbe seiner Augen kennt.
Pelleas Anthor sagte nichts, als Darell sich aus dem Liegesessel
erhob. Der junge Mann überflog die sieben Aufzeichnungen mit dem
alles umfassenden Auge dessen, der genau weiß, nach welcher
winzigen Facette er sucht.
»Wenn Sie so freundlich sein wollen, Dr. Semic.«
Semics altersgelbes Gesicht war ernst. Die Elektroenzephalographie
war eine Wissenschaft seiner späten Jahre, von der er wenig
wußte, ein Emporkömmling, dem er ein bißchen
grollte. Die Runzeln auf seinem Gesicht zeigten es, die gebeugte
Haltung, das Zittern seiner Hand – aber das alles sprach nur von
seinem Körper. Das Gehirnwellen-Muster würde vielleicht
zeigen, daß auch sein Verstand alt war. Ein peinliches und
unstatthaftes Eindringen in die letzte schützende Feste eines
Mannes, seinen eigenen Verstand.
Die Elektroden wurden angebracht. Die Messung tat natürlich
von Anfang bis Ende nicht weh. Da war nur dieses ganz leise, fast
unmerkliche Prickeln.
Dann kam Turbor an die Reihe, der während der fünfzehn
Minuten still und gleichmütig dasaß, dann Munn, der
zusammenzuckte, als die erste Elektrode ihn berührte, und
während der ganzen Sitzung die Augen rollte, als wünschte
er, sie zurückdrehen und durch ein Loch in seinem Hinterkopf
zusehen zu können.
»Und nun…«, sagte Darell, als es geschafft war.
»Und nun«, fiel Anthor entschuldigend ein, »gibt es
noch eine Person im Haus.«
Darell runzelte die Stirn. »Meine Tochter?«
»Ja. Ich bat, sie möge heute abend zu Hause bleiben,
wenn Sie sich erinnern.«
»Einer enzephalographischen Analyse wegen? Um der Galaxis
willen, weshalb?«
»Ohne das
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