Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
Bundeswehr
Die Bundeswehrsoldaten in Kunduz sind Teil der ISAF ( International Security Assistance Force) , der sogenannten Sicherheits- und Aufbaumission unter NATO-Führung im Rahmen des Krieges in Afghanistan seit 2001. Die Aufstellung erfolgte auf Ersuchen der Teilnehmer der ersten Afghanistan-Konferenz 2001 an die internationale Gemeinschaft und mit Genehmigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001). Der Einsatz ist keine friedenssichernde Blauhelm-Mission, sondern ein sogenannter friedenserzwingender Einsatz unter Verantwortung der beteiligten Staaten. Das Mandat für die Beteiligung deutscher Soldaten am ISAF-Einsatz wurde am 22. Dezember 2001 erteilt. In Deutschland wird die ISAF häufig auch als (Internationale) Afghanistan-Schutztruppe bezeichnet.
Seit gut zehn Jahren kämpfen deutsche Soldaten in Afghanistan, um dort beim Wiederaufbau und bei der Stabilisierung des Landes zu helfen und um deutsche Interessen zu vertreten, seien es außenpolitische oder sogar wirtschaftliche Interessen, wie der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler einmal angedeutet – und sich dafür Kritik eingehandelt – hat.
Für die Soldaten und ihren Einsatz machen diese politischen Begründungen keinen großen Unterschied. Sie haben einen Auftrag, und wenn die eigene Einheit in den Auslandseinsatz geschickt wird, gehen die meisten mit ihren Kameraden. Wie auch immer man die Notwendigkeit des Afghanistan-Einsatzes begründet, ob man ihn befürwortet oder nicht, Tatsache ist: Die Soldaten führen einen langwierigen, zermürbenden Kampf als Teil der ISAF. 52 deutsche Soldaten sind seit 2001 getötet worden. Die meisten von ihnen in der Region Kunduz.
Die Soldaten, die ich begleiten werde, gehören zum »Ausbildungs- und Schutzbataillon Kunduz«. So werden sie aber nur in Deutschland genannt. Es ist ein zu umständlicher Name, kaum zu übersetzen, und er spiegelt nur teilweise den tatsächlichen Auftrag der Einheit wider. Es werden weniger Afghanen ausgebildet als vielmehr Operationen und Gefechte zusammen mit den afghanischen Sicherheitskräften geführt, um die Sicherheitslage im jeweiligen Gebiet zu stabilisieren. Die Soldaten sprechen also von einem sogenannten Gefechtsverband, der »Task Force Kunduz«. Ähnlich nennen auch die Amerikaner ihre entsprechenden Gefechtsverbände. Die Einheit soll als Teil der Task Force zusammen mit der afghanischen Armee und der Polizei die Aufständischen vertreiben und anschließend die freigekämpften Stellungen auch halten. In der Vergangenheit war ihnen das nicht immer gelungen.
Ich möchte die theoretischen Ausführungen kurz halten. Dieses Buch handelt von den Soldaten und nicht von Militärtheorie, aber eine kurze Erklärung zu den Grundlagen der militärischen Strategie, die dem internationalen Einsatz in Afghanistan zugrunde liegt, ist notwendig. Die Bekämpfung von Aufständischen durch reguläres Militär bildet einen eigenen Zweig in der Militärtheorie. Die Strategie der ISAF in Afghanistan beruht letztlich auf einem ziemlich klugen Buch von General David H. Petraeus und Lt. General James F. Amos. 2006 gaben die beiden amerikanischen Generäle ein Handbuch für Aufstandsbekämpfung mit dem Titel »Counterinsurgency Field Manual« heraus, das ab Anfang 2007 bei der Besetzung des Iraks erfolgreich angewandt wurde. Die darin beschriebene Strategie wird in Afghanistan auch als Partnering bezeichnet. Nach dieser Strategie sollen militärisches Vorgehen und Aufbauhilfe möglichst genau aufeinander abgestimmt sein. Ziel ist, dass die Zivilbevölkerung zeitnah mit dem Auftauchen von Soldaten spürbare Verbesserungen ihrer Lebensqualität erfährt. Ab Herbst 2010 wurde mit der Kommandoübernahme der ISAF durch David H. Petraeus die Strategie auch in Afghanistan verfolgt. Damit sind auch deutsche Soldaten mit der Umsetzung betraut. Der Einsatz in einem Land wie Afghanistan, wo der Feind keine reguläre Armee ist, gliedert sich demnach in vier Phasen:
Shape (Gestalten)
Dient der Vorbereitung des Einsatzes. Hier wird vor allem der Bedarf an Hilfsgütern ermittelt. Einflussreiche Einheimische wie Dorfälteste, Bürgermeister usw. werden gefragt.
Clear (Säubern)
Feindliche Kräfte werden aus dem Zielgebiet vertrieben. Zeitgleich werden die benötigten Mittel für schnell umsetzbare Hilfe eingesetzt. Um möglichst wenig Zeit mit Bürokratie zu verschwenden, werden diese Hilfen den Soldaten in bar zur Verfügung gestellt.
Hold
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