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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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und wollte mir unbedingt ein Mädchen kommen lassen und »meine Seele aus ihrer Höhle scheuchen«.
    Er sagte: »Herr Lehrer, Sie stammen aus derselben Stadt und demselben Dorf wie mein Vater, und Ihr Leben war genauso hart. Damals, das war nichts. Aber Ihre Schüler von damals können Ihnen heute helfen, das Leben zu genießen!«
    Ich sagte: »Die Würde eines Lehrers liegt immer noch darin, dass er etwas erklärt, wie kannst du einen ehemaligen Lehrer in diesen Sumpf hineinziehen wollen?«
    Er sagte: »In der Schule waren Sie der Lehrer, außerhalb der Schule sind Sie ein Freund – Ihre eigenen Worte! Mein Vater ist früh gestorben, Herr Lehrer, Sie haben sich meiner angenommen, ich durfte oft in Ihrem Schlafzimmer Hausaufgaben machen, heute möchte ich mich dafür revanchieren!«
    Ich sagte: »Auch wenn du es gut meinst und auch, wenn das heute in der Gesellschaft so Mode ist, aber dein Vater, der Himmel habe ihn selig …«
    Er lachte laut und fiel mir ins Wort: »Vergessen Sie’s, der Mensch geht aus wie eine Laterne, wo soll da eine Seele sein? Herr Lehrer, das ist Aberglaube!«
    Er ließ nichts weiter gelten, zwei junge Dinger erschienen, drängten sich an mich und forderten mich auf, doch etwas zu trinken. Ich alter Dummkopf schämte mich zu Tode. Mein ehemaliger Schüler sah, dass ich mir nicht mehr zu helfen wusste, stand auf und meinte: »Immer mit der Ruhe, ich suche gleich eine Hübschere und werde die Weltanschauung Ihrer Generation einmal von Grund auf ändern!«
    Ich konnte mich nur mit Mühe der beiden Mädchen erwehren, stürzte aus dem Séparée, aber dort, wo der Korridor um die Ecke bog, standen die Leute so dicht, da hätte keine Zeitung mehr dazwischengepasst. Schweißgebadet ging ich auf den Pulk zu und sah, wie mein ehemaliger Schüler auf so ein junges Ding einschlug. Er zerrte sie an den Haaren, sie hielt Hände, Beine und Knie schützend nach oben, aber er schlug sie regelrecht zusammen. Ihr Gesicht war voller Blut, und sie zitterte am ganzen Körper. Ein paar von den Leuten, die drum herumstanden, versuchten dazwischenzugehn, aber er stammte aus einer Familie von Schmieden, er war stark, die beiden waren einfach nicht auseinanderzubringen. Wenn er weiter so auf das arme Mädchen einschlug, würde er sie umbringen. Was blieb mir übrig, ich drängelte mich vor, ermahnte die beiden und bekam eine Faust meines ehemaligen Schülers ab.
    Als er sah, dass meine Nase blutete, erstarrte er und kam in seinem Rausch ein wenig zu sich.
    Er sagte: »Diese Hure ekelt sich wegen Ihres Alters! Wohl zart besaitet, die Fotze! Scheiße nochmal! Da sind ein paar hundert Kerle drübergestiegen, mindestens, und die mimt die Schüchterne!«
    Ich konnte nicht mehr zuhören, ich musste hier weg. Ich wagte auch nicht, mein Rad mit Beifahrersitz zurückzuverlangen, aus Angst, dieser Sprössling eines Schmieds würde mich noch einmal heimsuchen. Eines Tages dann las ich in der »Huaxi-Stadtzeitung« unter den Gesellschaftsnachrichten zufällig einen Bericht, demzufolge mein ehemaliger Schüler wegen Zwangsprostitution gesucht worden war. Als der Reporter mit dem inhaftierten Gewalttäter und Mörder sprach, sagte er: »Mein Lehrer war sehr arm und war immer gut zu mir, jetzt, wo ich erwachsen bin, ist es mir das wert, ein paar Tage für ihn eingesperrt zu werden.«
    LIAO YIWU:
    Dass es so sentimentale Schüler überhaupt noch gibt!
    HUANG ZHIYUAN:
    Dass sein Vater im Jenseits noch nicht wahnsinnig geworden ist! Manchmal weiß ich nicht, wer hat wem Unrecht getan, der alte Mao dem alten Deng oder der alte Deng dem alten Mao? Ist es besser, das Land zu öffnen oder es abzuschotten? Die Nachfahren der Schmiede bearbeiten kein Eisen mehr, sie kommen in die Großstadt, wissen nicht, wohin mit ihrer Kraft, und werden zu einer Plage. Und wer sich noch mehr treiben lässt, wird zu einem noch schlimmeren Ungeziefer, kämpft sich irgendwie durch, Hauptsache, es geht nicht zurück in die Heimat.
    LIAO YIWU:
    Und wer das nicht tut, der bleibt immer zu Hause?
    HUANG ZHIYUAN:
    Die gehen irgendwohin, wo viele Menschen sind. Sie tun so, als hätten sie wunders was für Aussichten, gehen nach Mian-yang oder Chengdu und machen dort genauso weiter. Die Zweitklassigen werden in der Kreisstadt oder in einer Vorstadt sesshaft. Die Drittklassigen ziehen in eine große Gemeinde, die Übelsten bleiben in der Nähe ihrer Heimat. Da kann das Land noch so groß sein, die Berge noch so hoch, da können noch so viele Ahnen dort begraben

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