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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Sprache und Literatur unterrichtet. Während der bewaffneten Auseinandersetzungen in der Kulturrevolution hatte sich die Shanya-Mittelschule in zwei Fraktionen gespalten. Als die jungen Rebellen Oberwasser bekamen, trieben sie die Fraktion der Autoritätsgläubigen, deren Kern die Kommunistische Jugendliga bildete, aus der Schule. Die Bauern aus der Gegend organisierten sich ebenfalls und nannten sich »Rote Miliz der Bauern- und Sklavenhellebarden«, sie hatten andere Ansichten als die Schüler, die Schulautoritäten ließen die Glocke läuten und verkündeten vor versammelter Mannschaft: »Ab heute ist der Sportplatz der Ausbildungsplatz für unsere jungen revolutionären Soldaten und keine Tenne für das kleinbäuerliche Bewusstsein mehr. Die große Aula wird zur roten Bühne für die Einstudierung und die Aufführung des Loyalitätstanzes [92] und dient nicht mehr als Lagerhaus für die kapitalistische Hortung von Getreide« – das war zu viel, die »Bauern- und Sklavenhellebarden« leisteten ein paar Tage Widerstand, ein paar tausend Schlammfüßler demonstrierten entlang der Bergstraße, sie drängten in die Schule und machten ihrem Ärger Luft. Ein paar hundert Schüler standen den Bauern gegenüber, die »Gesammelten Worte des Vorsitzenden Mao« vor der Brust, und sangen: »Seid zu opfern euch bereit, mutig, voran, in die neue Zeit!«
    Schlussendlich waren die Leute vom Land aber doch ehrliche und kleinmütige Menschen, sie hatten nicht den Mut, die Hand zu erheben und womöglich jemanden zu verletzen. Und unsere Bücherwürmer waren nicht auf den Mund gefallen, sie nutzten ihre bildungsmäßige Überlegenheit und wurden umso kühner, je länger die Schlacht dauerte. Der Verteidigungskampf um ihre Schule zog sich ein paar Tage hin, von der Zentrale der Rebellen in der Kreisstadt kamen ein paar Sondergesandte und behaupteten: »Wenn die ›Bauern- und Sklavenhellebarden‹ es noch einmal wagen sollten, die jungen revolutionären Kämpfer anzugreifen, dann werden sie vom Revolutionskomitee des Kreises als autoritätsgläubige Lakaien verurteilt.« Als sie derart entschlossene Worte aus dem Kreis zu hören bekamen, stoben die Bauern auseinander wie Vögel.
    Es war erst ein paar Tage wieder Ruhe eingekehrt, als das Zentralkomitee die Parole von der großen revolutionären Koalition ausgab, als deren Folge die alliierten Streitkräfte der Arbeiterklasse und der armen und unteren Mittelbauern in die Schule einrückten. Ha, sofort schlug das Fengshui um, ein paar Schülervorsitzende wurden von Vertretern der Schulbesatzung öffentlich als Rädelsführer und als Kettenhunde Liu Shaoqis angeprangert. Nachdem sie durch die Gemeinde geführt worden waren, die Kritikversammlung überstanden hatten und die hochfahrende Arroganz der Schüler unterdrückt war, evolutionierte die Schule noch stärker in Richtung Bauernhof, nicht nur wurden die Feldfrüchte dort gesammelt, es wurden auch Schweine, Hunde und Hühner gehalten. Tief im Herbst wurde der Unterricht wieder aufgenommen, aber die Schüler konnten sich nicht fristgerecht anmelden. Die Schule stand leer, selbst die vorher so vertrauten Aufmärsche zur Begrüßung der obersten Direktiven waren nicht mehr so ein Spektakel wie zuvor, mit Gongs und Trommeln und allem. Die Repräsentanten der Bauern hockten auf den Hacken und brüllten herum, rannten zum Hof der Familie Liu, der neben der Schule lag, und mobilisierten die Dorfbewohner, aber zu ihrem großen Erstaunen waren diese Landmenschen nicht gewohnt, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen, die brachte nicht einmal eine oberste Direktive aus ihren Betten.
    LIAO YIWU:
    Sie haben eine ganze Menge Trubel mitgemacht, obwohl sie auf dem Land waren!
    HUANG ZHIYUAN:
    Der Mensch ist wie ein Teig, den man knetet und rollt, die Bauernverwaltung überwachte die Arbeit, sonst tat sie nichts als erzählen, wie gut wir es heute alle hatten und wie schlimm es früher gewesen war. Wenn du dem nicht zustimmtest, sind sie an drei Tagen zweimal bei dir aufgetaucht und haben ein persönliches Gespräch mit dir geführt. Von wegen, früher hätte man sich hauptsächlich von Reis ernährt, Lehrer und Schüler seien dünn gewesen wie die Affen, außerdem werde heute gegen Selbstsucht und Revisionismus gekämpft, die Schüler auf dem Land damals hätten gewusst, was sich gehört, sie seien Hunderte von Meilen auf Bergpfaden unterwegs gewesen und hätten auf dem Rücken von zu Hause Nahrungsmittel herangeschafft. In der Mensa der Schüler

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