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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Dame einmal unter den Tisch gefallen, wegen zu hohen Blutdrucks, Resultat allzu bitterer Verluste beim Mah-Jongg. Für das Krankenhaus war es zu spät, also brachte man sie auf geradem Wege zum Bestattungsinstitut, wo sie im Sterbezimmer in die Reihe gestellt wurde.
    Hier habe ich den 66  Jahre alten Herrn Zhang Daoling kennengelernt. Früher war er einmal in irgendeinem Kreis im Osten von Sichuan ein talentierter Leichenschminker gewesen, 1993 siedelte er nach Chengdu um. Am Nachmittag des 30 . September 1995 , es war schon sehr herbstlich, nachdem ich bereits ein halbes Jahr mit Herrn Zhang Kontakt hatte, wurde dieses Gespräch vollendet.
    Die Sonne stand tief, der halbe Himmel war rot, ich kam aus dem Teehaus, hob den Kopf und sah, dass die Gasse verstopft war von einem Leichenwagen und der Beerdigungsprozession, die ihm folgte. Am anderen Ende der Gasse stand eine Frau, schön wie eine Wolke, die ganz wundervoll tanzte und dazu ein helles Lied sang, man musste sofort an die berühmte Zeile des Tang-Dichters Du Mu denken: »Erwacht aus zehn Jahren Yangzhou-Traum!«. Das Sichuan-Konservatorium, die Theaterschule für Sichuan-Oper und die Tanzschule waren hier eifrig dabei, für ein allchinesisches Theaterfestival zu proben.
    Der zahnlose Zhang Daoling hatte sich bereits entschlossen von der Trauermusik verabschiedet und wollte zu dem jugendlichen Trubel, was ich dankend ablehnte.
    ***
    LIAO YIWU:
    Meister Zhang, wie lange haben Sie denn diese Arbeit gemacht?
    ZHANG DAOLING:
    Fast vierzig Jahre, dann musste ich in den Ruhestand. Ich gehörte zur ersten Gruppe der Angestellten und Arbeiter des Beerdigungsinstituts, ich hatte 1957 gerade an der Schule für bildende Künste meinen Abschluss gemacht, als ich dorthin kam. Wenn ich der Zuteilung durch die Parteiorganisation nicht gehorcht hätte, hätte man mir aller Wahrscheinlichkeit nach rechte Tendenzen nachgesagt. In diesem Institut schoben wir eine sehr ruhige Kugel, knapp zehn Leute hatten gerade einmal eine Handvoll Leichen pro Monat einzuäschern, einschließlich der herrenlosen. Auch wenn das Zentralkomitee mit allem Nachdruck Feuerbestattungen propagierte und obwohl hohe Persönlichkeiten wie der Vorsitzende Mao, der Komiteechef Zhu, der Vorsitzende Liu Shaoqi und Präsident Zhou Enlai ihren Namen unter das Antragsformular gesetzt hatten, um ihre Körper erst der Wissenschaft zu überlassen und dann »eine Einäscherung durchzuführen und die alten Sitten und Gebräuche zu verändern«, auch wenn das so war, war es sehr schwierig, die in China jahrtausendealte Tradition der Erdbestattungen zu verändern. Ich habe es in diesem Bestattungsinstitut nie zu einer wichtigen Position gebracht, die Führung bestimmte, dass ich für die Wandzeitungen zuständig sein sollte. Ein Glück, dass Kampagne sich an Kampagne reihte, ich konnte meine Qualifikationen zur vollen Entfaltung bringen.
    LIAO YIWU:
    Aber das hatte mit Ihrer Arbeit doch überhaupt nichts zu tun!
    ZHANG DAOLING:
    Der Vorrang der Politik, das war das Zeichen der Zeit, die Politik war die erste Arbeitspflicht jedes Einzelnen. 1958 , auf dem Höhepunkt der Stahlgewinnung während des Großen Sprungs, erschienen die Massen vor unserer Tür und machten den Vorschlag, die Öfen des Krematoriums in Hochöfen umzuwandeln, sie meinten, es sei doch allemal besser, einen Beitrag zur Stahlproduktion und damit zum »Überholen Englands und zum Einholen Amerikas« zu leisten als jeden Monat nicht einmal eine Handvoll Leichen einzuäschern. Der Leiter des Instituts erklärte ihnen, dass Hochöfen und Verbrennungsöfen vollkommen anders konstruiert seien, aber die Massen glaubten das nicht, sie dachten, das Einschmelzen von Menschen und Stahl sei ein und dasselbe, und so nahmen sie den Institutsleiter unter der Anklage, gegen den Großen Sprung zu sein, fest und ließen in aller Eile Kohle und Koks zum Beerdigungsinstitut schaffen. Ein Glück, dass der Sekretär des Kreiskomitees höchstpersönlich herbeieilte, alle von den Tatsachen überzeugte und gleichzeitig einwilligte, auf dem Hof des Instituts nach den örtlichen Gewohnheiten den Aufbau von kleinen Hochöfen in Angriff zu nehmen. Damals war in unserem Beerdigungsinstitut der Teufel los, es wurden keine Leichen mehr eingeäschert, dafür wurde jede Menge Alteisen und Schrott eingeschmolzen. Ich ging in der blinden Geschäftigkeit der Menschenmassen auf, ich habe mich mit meiner heutigen Frau verlobt, sie war Mitglied der Kommunistischen Jugendliga, und ich hatte

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