Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Guomindang und die Imperialisten wieder Auftrieb bekommen! Hast du dir das gut überlegt, bevor du dich mit deinen vier Buchstaben in die Nesseln setzt? Und auf die Seite der Feinde stellst? Wenn man das mit der Weltanschauung und den politischen Studien zu locker sieht, dann ist das gefährlich! Überleg dir das gut, denk genau nach, nimm die Maßregelung ehrlich an, und egal, wie es ausgeht, komm nach Hause, und sei … sei wieder mein Sohn!«
Als ich sah, wie mein Vater schwitzte, brachte ich es nicht über mich, weiter herumzudebattieren. Die Polizisten atmeten erleichtert auf und wollten in Anwesenheit meines Vaters mein Geständnis aufnehmen. Ich erinnerte daran, dass das nicht dem gesetzlichen Verfahren entsprach.
LIAO YIWU:
Haben Sie nicht bis zum Ende durchgehalten?
WAN BAOCHENG:
Ich konnte nur zugeben, dass durch mein Verhalten das Ansehen der Partei und des Staates Schaden genommen hat. Was die »Tatsachenverfälschung« und die »Verbreitung von Gerüchten« anging, so war das eine reine Verleumdung meiner Person.
Xiao Bin, einer der Studenten, wurde wegen »Verbreitung von Gerüchten« zu zehn Jahren verurteilt, vielleicht, weil er die Anzahl der auf dem Tiananmen verletzten und getöteten Personen übertrieben hat, aber hatte ich nicht auch gesagt, »das Blut floss in Strömen«. Das ging nicht. Der Prozess war noch lange nicht vorbei, wenn wir vom 4 . Juni irgendwann einmal rehabilitiert werden, werde ich eine Gegenklage anstrengen! Früher hieß es, »nur die Beamten vom Bezirk dürfen einen Brand legen, die einfachen Leute dürfen nicht einmal eine Lampe anzünden«. Und heute dürfen nicht einmal die Beamten vom Bezirk Brand legen, von dem Entzünden einer Laterne ganz zu schweigen.
LIAO YIWU:
Zu wieviel Jahren sind Sie denn verurteilt worden?
WAN BAOCHENG:
Zu vier Jahren. In der Urteilsbegründung wurde meine einsichtige Haltung eigens hervorgehoben. Das ist der reine Unsinn und ganz eindeutig eine Verhöhnung eines Teils der historischen Tatsachen.
Ach, bevor ich in den Knast kam, dachte ich noch, Konterrevolutionäre seien so, wie es in den Romanen steht: eine kleine Gruppierung, die nur Böses im Schilde führt und von der Restauration des Kapitalismus träumt. Als ich dann aber drin war, gingen mir die Augen auf! Diese sogenannten »Politischen« waren an Normalität nicht zu überbieten. Das politische Bewusstsein der meisten war auf dem Stand des Romans »Der rote Felsen« [101] stehengeblieben. Sie haben Gedichte geschrieben und Artikel, die unversehens zu etwas Heroischem wurden.
Um ein Beispiel zu geben: Hier sind über zwanzig Konterrevolutionäre vom 4 . Juni zusammengezogen worden, sie haben verschieden lange Strafen bekommen, zwischen zwei und zwölf Jahren, und auch ihr Bildungsgrad ist sehr unterschiedlich. Eines Morgens, Anfang der neunziger Jahre, fiel plötzlich eine Taube vom Himmel. Ich habe als Erster entdeckt, dass sie da oben herumtaumelte, es war, als sei sie betrunken. Sie zog ein paar Sekunden einen einsamen Bogen, fiel aus einer Schar von Tauben herab, schlug einmal gegen die Wand und fiel dann in den Hof. Alle kamen aus ihren Zellen und hoben sie ganz vorsichtig auf. Glücklicherweise hatte es in der vorangegangenen Nacht geschneit, so dass das arme Ding nicht zerschmettert wurde, trotzdem, Flügel und Füßchen waren gebrochen. Weil es endlich einmal etwas zu tun gab, haben sich diese zwanzig politischen Verbrecher überschlagen, haben ganz kleine Bambusschienen geschnitzt und die Taube damit geschient und sie in Verbandwatte eingepackt. Der kleine Yang ist in die Küche, hat Reis geholt, ihn vorgekaut und die Taube gefüttert. Aber sie hat gurrend den Kopf weggedreht und nichts gefressen. Der kleine Yang hat ihr dann mit dem alten Hou zusammen mit einem Bambusstöckchen den Schnabel aufgehalten und ihr den Brei nach und nach eingeflößt. Lei und ich haben dazu noch in einer Ecke ein paar Regenwürmer ausgegraben, sie zerdrückt und sie damit gefüttert. Schließlich hatte die Taube alles, was sie brauchte, zerstoßenen Mais, grüne Bohnen, gebratene Sojabohnen, und was das kleine Wesen nicht aufessen konnte, das kam den Mäusen zugute. Alle standen Schlange, um je zu zweit bei der Taube Krankenschwester zu spielen. Jeden Tag wurde einmal gewechselt. Wenn es zur Arbeit ging, versteckte sich die Taube unter dem Moskitonetz in einem oberen Bett, auf ein paar Zeitungen gebettet, mit etwas zum Fressen, so dass sie dort fressen, trinken und so weiter konnte.
Weitere Kostenlose Bücher