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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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mehr wohnen. Heute Abend wollte ich eigentlich in dem Fünf-Yuan-Laden wohnen, bin aber zu spät hin, es war voll.
    LIAO YIWU:
    Wo denn? Da war es so voll?
    ZHAO ER:
    Neben der Fünf-Augen-Brücke, da ist eine lange Reihe von Schutzdächern aus Plastikfolie und ein paar ebenerdige Häuser, die man gerade abreißt – tagsüber stehen dort Buden, wo alles Mögliche verkauft wird, abends stellt man die zusammen zu einer breiten Liegefläche. Betten gibt es keine, auf eine Liegefläche kann man sieben, acht Leute zusammendrängen – wenn sie dicke Hintern haben –, aber natürlich kann man da auch mehr als zehn draufpacken, die Dinger dehnen sich. Wenn sich so viele aneinanderdrängen, hält das im Winter sogar warm. Manchmal wird es so warm, dass man die Decke wegstrampelt, und wenn einer einen fahren lässt, fängt man an zu schwitzen. Scheiße, der Boss stand am Eingang und passte auf, dass er sein Geld bekommt, und schrie unentwegt: »Nachrücken, nachrücken, wir sind alle nicht zu Hause hier! Wir kommen alle von weither, wir wollen alle Geld verdienen, rückt noch ein wenig zusammen!«
    LIAO YIWU:
    Und du bist nicht mehr untergekommen?
    ZHAO ER:
    Ich hab es an verschiedenen Stellen versucht, es war alles brechend voll. Gestern war ich früh dran und schlief ganz innen, da musste ich auf einmal mitten in der Nacht raus, und ehe ich mich versah, war meine Schlafstelle verschwunden. Ich drängelte die halbe Nacht, sieben, acht Füße haben mich vor die Tür getreten, ich war außer mir, zog ihnen die Bettdecke weg und wollte vom Chef mein Geld zurück, aber wo sollte ich den mitten in der Nacht herholen? Am besten, ich lehnte mich bis zum Morgen in meine Decke gewickelt an die Tür. Unter dem Dachvorsprung war noch recht viel Platz, an heißen Tagen ist das dort sehr angenehm.
    LIAO YIWU:
    Wie lange hast du ein Fahrrad mit Beiwagen gehabt?
    ZHAO ER:
    Über zwei Jahre.
    LIAO YIWU:
    In über zwei Jahren ist dir nur eine Karre konfisziert worden, dann hast du aber was drauf!
    ZHAO ER:
    Mir sind in dieser Zeit drei beschlagnahmt worden, aber auch das ist noch nicht viel, viele verlieren in einem Jahr vier oder fünf.
    LIAO YIWU:
    In Chengdu gibt es wohl ein paar hunderttausend von diesen Rädern mit Beiwagen, das beeinträchtigt das Stadtbild, aber es bringt auch die regulären Fahrer um ihre Schale Reis.
    ZHAO ER:
    Wenn man sein Essen mit Arbeit verdient, dann ist das immer noch besser als stehlen. Ich kann mich nicht darüber beruhigen, dass wir von der Gesellschaft mehr oder weniger behandelt werden wie Kleinkriminelle. Da braucht nur das Gerücht aufzutauchen, ein Polizeiwagen sei unterwegs, schon springt alles auf die Räder und macht sich davon – wie Gänse, die mit den Flügeln schlagen, wenn man sie mit Bambusstöcken zum Fluss treibt. Meine erste Karre wurde mir in der Nähe vom Ginkgowald beschlagnahmt. Eigentlich haben alle ihr festes Gebiet, so wie ich zum Beispiel die Tour hatte von den Fünf-Steinen über den Bambussprossenteich zum Fernreise-Busbahnhof und zurück – normalerweise habe ich den Kurs nicht verlassen. Leute und Straßen waren mir vertraut, und ein Polizeiwagen war noch nicht in der Nähe, da wurde man schon von irgend jemandem unterwegs gewarnt: »Die Bullen kommen! Die Bullen kommen!« Daraufhin drehten alle Räder mit Beiwagen ab, verschwanden in den Gassen, bogen in die Höfe der Anwohner ein und entgingen der Gefahr. Sie konnten noch ihre Gefährte abschließen und kamen dann auf die Straße, um sich das Spektakel anzusehen.
    Mein Pech, dass ich den Hals nicht vollkriege! Wenn mir jemand einen guten Preis bietet, verliere ich einfach die Orientierung. Diesmal wollte ich eigentlich auf keinen Fall die Tour machen vom Fernreise-Busbahnhof zum Ginkgowäldchen, und habe deshalb etwas von zehn Yuan krakeelt. Eine Frau bot mir acht. Außerdem klingelte mir unentwegt ihr »Meister hier« und »Meister da« in den Ohren. Ich war verzweifelt, es war ohnehin Sonntag, der Weg ging über den Zweiten Ring, also stimmte ich zu. Das war im Sommer 1997 , die Dreiräder dort draußen sind billiger, und es war kühler; der Zweite Ring war zwar sehr staubig, aber unterwegs konnte man was besichtigen. Ich strampelte fast eine Stunde, meine Weste war klatschnass, also zog ich sie aus und fuhr mit nacktem Oberkörper weiter. Die Frau verkroch sich unter dem Sonnenschirm und machte sich Sorgen, ob ich mich denn nicht erkälten würde. Ach, wenn ein Fahrgast mit einem einfachen Mann wie mir wie mit

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