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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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bin ich neunzig Jahre alt und muss einmal an mich denken. Ach, ich habe das doch alles schon längst vorbereitet, ich habe Ran Hongyu den Platz erst einmal überlassen, und wenn die Kinder meine Absichten nicht achten …
    LIAO YIWU:
    Was ist dann?
    HUANG TIANYUAN:
    Dann komme ich halt selbst hierher.
    LIAO YIWU:
    Ihr könnt Euch doch nicht selbst begraben!
    HUANG TIANYUAN:
    Meine Wohnstatt für das Jenseits ist längst fertig.
    LIAO YIWU:
    Wo ist das?
    HUANG TIANYUAN:
    In diesen nach Westen gerichteten Felsen. Du kannst es nicht erkennen, außer mir kann das keiner erkennen.
    LIAO YIWU:
    So versteckt ist es? Ich hatte gedacht, Ihr würdet das Grab von Ran Hongyu aufmachen und dann ein Doppelgrab errichten.
    HUANG TIANYUAN:
    Warum sollte ich es so machen, dass andere es sehen? Wenn man sich an einem verborgenen Ort begegnet, dann passt das.
    LIAO YIWU:
    Das ist immer noch ein wenig schwierig, solange es nicht den geringsten Hinweis gibt.
    HUANG TIANYUAN:
    Ich bin als Fengshui-Meister bekannt; wenn erst einmal die Nachricht herum ist, dass ich für mich selbst einen Platz ausgesucht habe, dann habe ich hier keine Ruhe mehr. In den letzten Jahren hat die Beliebtheit von Fengshui und Wahrsagerei immer weiter zugenommen, da stehen die Städte den Dörfern in nichts nach, sobald es ein wenig mehr Geld zu verdienen gibt, fängt man an, mit Nachdruck über die eigene Beerdigung nachzudenken. Im vergangenen Jahr habe ich, wenn es wenig war, in gut fünfzig Haushalten das Fengshui berechnet. Das werde ich in diesem Jahr nicht mehr machen, da komme was wolle. Aber viele Leute tragen das weiter, welchen Berg und welche Schlucht der Huang, der alte Unsterbliche, untersucht hat, und dann geht das wie in einem Wespennest, und sie brennen ihre Bauplätze immer heißer ab und bauen immer größere und größere Fundamente. Unser Bürgermeister ist kaum fünfzig, aber er hat sich ein Grab hochgezogen, das ist größer als das Haus, in dem er jetzt lebt. Im vorvergangenen Jahr habe ich ihm irgendwo ein Stück Boden ausgesucht, daraufhin hat er die sieben Gräber seiner Ahnen aus zehn Meilen Entfernung dorthin verlegt, er hat eine ganze Armee von Steinmetzen, Plattenlegern, Maurern und Fundamentarbeitern angeheuert, es ging drei Monate lang ziemlich zu, aus dem Grab wurde ein privates Mausoleum mit Parkanlage. Als die Arbeiten zu Ende waren, hat der Bürgermeister zwanzig Leute zu einem Gastmahl geladen, ich habe meinen Hintern schleunigst aus dem Verkehr gezogen. Die Leute sind sehr arm und müssen den Gürtel enger schnallen, ich hatte Angst, dass aus der Höflichkeit im Nu ein Unglück werden könnte.
    LIAO YIWU:
    Diesen idealen Fengshui-Ort habt Ihr ausgesucht?
    HUANG TIANYUAN:
    Welcher Mensch an welchem Ort und auf welche Art beigesetzt wird, dafür gibt es Regeln. Wenn du diese Regeln änderst, dann rennt der Ortsbürgermeister zum Kreisvorsteher, und bis hoch zum Provinzgouverneur wollen sie dann ihre vorbestimmte Lebenszeit neu berechnen. Im vollendeten Fengshui vereinen sich die Yin- und Yang-Lehre und die Lehre von den Fünf Elementen, da darf nichts zuviel sein und nichts im Widerspruch. Wenn ein Grab errichtet wird und über die Regel hinausgeht, dann ist das Überheblichkeit. Du kannst das nicht wissen, der Bürgermeister hat sein Grab mit Requisiten gefüllt: Einen Santana, ein kaiserliches Bett, einen Nachtklub, ein Karaoke-Zimmer, die Konferenzstühle der Sachverständigen eines multinationalen Konzerns, ursprünglich wollte er sich auch noch ein paar Mädchen dazutun, aber der Steinmetz war nicht gut genug, die Gliedmaßen der Steinfiguren sahen aus wie angefressen, man sah nicht, ob es Männchen oder Weibchen waren – ach, überall in der Region mussten sie das bisschen Fengshui unbedingt an die große Glocke hängen, das Fernsehen und die Zeitungen haben sich überschlagen, um sein Geheimnis zu enthüllen. Von oben kam eine Untersuchungskommission, was für ein Pech für den Bürgermeister, und dann war da noch eine lange Reihe von Sekretären, Dorf- und Ortsvorstehern und Bauerngruppenleitern in das Ganze verwickelt. Es gab eigentlich nicht einen einzigen untadeligen Beamten, sie alle fuhrwerkten auf Baugrundstücken des Staates oder der Bauern herum, und das Geld, das sie sich unter den Nagel gerissen haben, haben sie in den Bau von Grabmalen investiert. Ein führender Kader führte sich selbst als Vorbild an – als jemand vom Land wie er, der eigentlich nichts auf Fengshui gebe, wüsste er, dass um die Häuser

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