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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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man es von ihnen erwartete. Ich hingegen tat zwar, was man von mir verlangte, aber ich war kein Pferdchen – ich war ein Löwe im Käfig.
    Völlig taub kehrte ich an jenem Nachmittag in die Schlüterstraße zurück. Die Schmach darüber, dass meine selbstgewählte Alternative zu Salem zu scheitern drohte, drückte mich nieder.
    Doch dann ereignete sich etwas, das ich nicht mehr für möglich gehalten hatte. Mein Gastvater hatte zu meiner Verwunderung gute Beziehungen in Berlin, und eine Woche später, in der ich nicht zur Schule ging, durfte ich offiziell zurück in die zwölfte Klasse. Nie wurde ich gefragt, warum ich die elfte Klasse eigentlich ausgelassen hatte, und ich erklärte es auch niemandem. Ich war nun in der Zwölften, und von nun an lief die Uhr: zwei Jahre bis zum Abi. Und ich zählte jeden Tag.

5
    An dem Tag, an dem ich meinen neunzehnten Geburtstag feierte, war ich einsam, es war grau und regnerisch. Ich erinnere genau, wie ich den Ku’damm runterspazierte und »The Story of Berlin«, ein Museum für sehr Faule, besuchte. Danach trank ich einen Kaffee am Savignyplatz. Es regnete ohne Unterlass. Abends ging ich mit meinem Gastvater und dessen Stiefvater ins Hyatt zum Abendessen. Wir waren fast alleine in der mit Jazzmusik erfüllten, dunkel gehaltenen Esshalle. Die steifen weißen Servietten ließen sich kaum auseinanderfalten, und keiner von uns wusste so recht, was er an diesem ganz besonderen Tag reden sollte. Lustlos und schweigsam schnitt ich Stücke vom Rinderfilet ab, es war so zäh wie dieser Abend. Das Gespräch drehte sich um Theaterinszenierungen und das Lebenswerk deutscher Literaturgrößen. Es fiel mir schwer, mich dafür zu interessieren, und es dauerte ewig, bis endlich die Geburtstagstorte zum Dessert serviert wurde. Ich zerteilte den fetten Schokoladenmoussekuchen mit Blattgoldfetzen auf der Glasur.
    Drei Tage später flogen die Jets in New York in die Twin Towers. Fassungslos saß ich vor dem Fernseher und hatte das Gefühl, auf einer Eisscholle zu treiben, weit weg vom Festland, wo sich meine Familie befand.
    Kampfflugzeuge flogen in den Irak. Unser Geschichtslehrer entrüstete sich über das Titelbild einer Berliner Tageszeitung, das nichts als ein grün-schwarzes grobes Pixelgewimmel mit zwei helleren und zwei dunkleren weißen Flecken in der Bildmitte zeigte. Als Bildunterschrift hatte man die Worte: Amerikanische Kampfjets über Bagdad gewählt. Niemand wusste, was los war.
    So verging das Jahr, und der Winter kam. Es gab einige wenige Schüler in meiner Stufe, die bereit waren, eine Freundschaft mit mir einzugehen. Ich konnte sie an einer Hand abzählen. Den restlichen Schülern meiner Stufe war ich sehr suspekt. Morgens, wenn ich auf das Schultor zuging, wo sie sich versammelten und rauchten, nahm ich mir immer vor, mich dazuzustellen und mich zu unterhalten. Doch je näher ich kam, desto abschätziger wurden die Blicke, desto leiser wurden die Stimmen, und ich wagte es nicht, anzuhalten. Ich war fremd, ich kam nicht von hier, und dann war da auch noch mein Nachname. Verließ ich am Nachmittag das Schulgebäude, spielte sich das Gleiche wieder ab. Geh hin, red mit denen, tu einfach so, als ob, rauch eine – doch ich konnte nicht, und auf dem ganzen Weg nach Hause warf ich es mir vor.
    Mit den Lehrern verhielt es sich ähnlich. Sie beäugten mich aus dem Augenwinkel und blieben auf Distanz. Sie erteilten mir die schlechten Noten, da sie wussten, dass meine Eltern hier nicht lebten und ihnen somit nicht drohen konnten. Es war mein Schicksal, dass ausgerechnet der Mathematiklehrer der Einzige war, der mir sagte, dass er sich bemühte, mich gut zu benoten, aber ich würde einfach zu viele Fehler machen. Er war wenigstens ehrlich. Im Deutsch-Zusatz-Unterricht zweifelte der Lehrer, dass ich die Aufsätze, die ich einreichte, selbst geschrieben hatte, und wenn ich mich meldete, nahm er grundsätzlich die anderen dran. In Biologie wurde ich von der Lehrerin mitleidig belächelt, und sie schüttelte eigentlich immer den Kopf, wenn ich etwas sagte, so als könne sie sich nicht erklären, was um alles in der Welt ich in ihrer Klasse zu suchen hatte.
    Irgendwie verging die Zeit – ich weiß nicht mehr, wie. Ich saß in den Freistunden oft in einem Café in Zehlendorf und machte Hausaufgaben. Nach der Schule kam ich um 15 Uhr ausgehungert und müde in die Wohnung. Abends versuchte ich Feldhockey im SC Charlottenburg zu spielen, um andere Leute kennenzulernen, aber ich gab es bald

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